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Da die Band genau genommen erst im Oktober 1969 ins Leben gerufen wurde, scheut sich das einzig verbliebene Originalmitglied Andy Powell (Gesang, Gitarre), im Rahmen der diesjährigen Konzertreise die Wörter „50-jähriges Jubiläum“ in den Mund zu nehmen. Wie um dies noch zu bekräftigen, prangt stattdessen auf einem Backdrop entsprechend die Zahl „49“ in römischen Lettern, also „XLIX“, im Bühnenhintergrund. Ungewohnt voll ist der „Hirsch“ an diesem Sonntagabend, und selbst wenn der Altersdurchschnitt der zahlreich anwesenden Fans locker die 50 Jahre – Schallmauer durchbricht, erblickt man auch immer wieder mal jüngere Semester im Publikum. Mit 'Real Guitars Have Wings', dem letzten Stück des 1987er Longplayers „Nouveau Calls“, läuten WISHBONE ASH ihre musikalische Zeitreise an diesem Abend ein. Das vergleichsweise kurze Instrumental (ohne Synthie-Spielereien der Albumversion) stimmt sogleich mal adäquat aufs folgende Programm ein, brillieren hier doch Powell und dessen jugendlich-frisch wirkender Counterpart Mark Abrahams mit den die Band doch so sehr prägenden doppelläufigen Gitarrenharmonien. Überhaupt scheinen WISHBONE ASH den Ausstieg des immerhin schon seit 2004 dort aktiven gebürtigen Finnen Muddy Manninen von vor rund zwei Jahren gut verkraftet zu haben. Abrahams versteht es nicht nur, die Powellschen Melodien gekonnt zu ergänzen, sondern setzt sehr oft auch mit seinem eigenen Spiel Akzente, die aufhorchen lassen. Selbst wenn die Leistung der Rhythmus-Abteilung in Form von Bassist Bob Skeat und Schlagzeuger Joe Crabtree noch Andys Gesang weder unterschätzt noch unberücksichtigt werden sollte, stehen an diesem Abend natürlich die Sechssaiter klar im Mittelpunkt.

Was auch gleich bei 'Mountainside', dem Opener der 1996er Scheibe „Illuminations“ auffällt, ist der feinfühlig abgestimmte Sound an diesem Abend im Hirsch, welcher den Hörgenuss noch zusätzlich steigert. Die Briten scheint dies bei Stücken wie 'Deep Blues' vom letzten Album „Blue Horizon“ sowie den beiden „Front Page News“ – Klassikern 'Come In From The Rain' und dem Titeltrack ebenso zu Höchstleistungen anzuspornen. Dabei hätte man sich von Andy zwar mehr Interaktion mit dem Publikum gewünscht, aber scheinbar ist der Meister so beschäftigt mit der Darbietung einer möglichst perfekten Show, dass Ansagen folgerichtig eher spärlich ausfallen. WISHBONE ASH lassen an diesem Abend die Musik sprechen und als Powell nach dem „Just Testing“-Stück 'Lifeline' einen Song des berühmt-berüchtigten Drittwerks „Argus“ ankündigt, ist schon mal frenetischer Jubel zu vernehmen. Letzteres völlig zu Recht, zählt 'The King Will Come' doch zu den absoluten Höhepunkten der Bandgeschichte. Dass die eingängigen Gitarrenleads dieses Überstückes wiederum Legenden wie Iron Maiden oder Thin Lizzy inspirierten, ist gut nachvollziehbar.

Die Briten verweilen indes zunächst noch beim Meisterstück „Argus“ und präsentieren danach 'Warrior' sowie 'Throw Down The Sword'. Als dann ein kurzer Akustikgitarren-Einschub eingeläutet wird, komplettieren WISHBONE ASH noch die B-Seite des erwähnten Werkes, indem sie auch 'Leaf And Stream' zum Besten geben. Danach hüpft man mit 'Wings Of Desire' noch schnell ins Jahr 1991, bis sich Powell & Co. erneut auf die erfolgreichste Zeit der Band zurückbesinnen und das allseits bekannte 'F.U.B.B.' vom 1974er Longplayer „There's The Rub“ zocken. Mit 'Standing In The Rain' wagt man einen erneuten Zeitsprung zum „Strange Affair“-Album, bis die Briten dann mit 'Jail Bait' (vom formidablen Zweitwerk „Pilgrimage“) und 'Phoenix' vom selbstbetitelten Debüt von 1970 ein äußerst kompetent dargebotenes Set beschließen. Beim letztgenannten überlangen Stück spielt sich die Gruppe regelrecht in einen Rausch, man könnte wirklich stundenlang zuhören, wie sich Powell und Abrahams gegenseitig an ihren Äxten duellieren! Die Zeit davor verging wie im Flug, so dass man gar nicht zu realisieren vermag, dass dies bereits der Schlusspunkt unter einem denkwürdigen Konzert war!

Doch WISHBONE ASH lassen sich nicht lumpen und kommen (natürlich) für eine Zugabe noch einmal zurück auf die Bühne. Das eingängige, streckenweise dann doch etwas zu vorhersehbare und softe 'Why Don't We?' vom 1989er Album „Here To Hear“ hätte man nicht unbedingt erwartet. Den absoluten Schlusspunkt markiert daraufhin allerdings 'Blowin' Free', der letzte Song der A-Seite von „Argus“, womit die Briten an diesem Abend bis auf 'Time Was' und 'Sometime World' sämtliche Songs ihres brillanten Drittwerks zum Besten gegeben haben. Insofern bleiben angesichts dieses intensiven Auftritts der britischen Rocklegende keinerlei Wünsche offen. Nach unzähligen Tourneen wirkt WISHBONE ASH wie ein perfekt aufeinander abgestimmtes Uhrwerk, das auch heute noch den Charme der unvergleichlichen, wegweisenden Werke zu versprühen vermag. Vielleicht hätte etwas mehr Spontaneität der Show ein zusätzlich belebendes Element verliehen. Aber das ist Jammern auf extrem hohem Niveau. Twin Guitar – Fetischisten sollten sich auf jeden Fall den Januar 2020 ganz dick rot im Kalender anstreichen, wenn (so ist zumindest zu hoffen) Powell & Co. dann ihr 50-jähriges Bandjubiläum auf deutschen Bühnen zelebrieren!

Foto: https://www.facebook.com/wishbone.ash.official