Nicht nur im schönen München haben sich AUDREY HORNE längst ihr Stammpublikum erspielt. Der Ruf der Norweger, sie seien eine herausragende Live-Band, eilt ihnen mittlerweile bereits voraus. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich an diesem kalten Donnerstagabend bereits 30 Minuten vor Konzertbeginn eine große Schar von Besuchern eingefunden hat. Dabei ziehen AUDREY HORNE Fans aus allen erdenklichen Lagern und Altersklassen. Vom Teenager bis zum in Würde ergrauten, bärtigen Alt- bzw. Southern-Rocker, über Kuttenträger-Thrasher, Turbojugend Jeans-Fraktionen, Mittzwanziger-Hipster und scheuklappenfreie Black-Metaller ist wirklich alles vertreten.
Den Anfang machen die Norweger MAGICK TOUCH. Die Bergener teilen sich sogar den Proberaum mit AUDREY HORNE, sind aber musikalisch weit weniger eingängig und melodisch unterwegs. Hier regiert der charaktervolle, kauzige, sperrige und gerne auch mal disharmonische Garagen-Rock mit Metal-Kante sowie einer Menge Groove als auch Blues. Der Gitarren-Sound ist herrlich dreckig, kaputt und fuzzig. Der charismatische Gitarrist und Leadsänger Hans Kristian Rein weiß mit seiner charaktervollen linken Hand und diversen originellen Soli am meisten Blicke auf sich zu ziehen. Tieftöner Christers sieht mit seinem 80s-Haarschnitt, Thin-Lizzy-„Chinatown“-Leibchen und herrlichen Gesten zur Groove-Wand herrlich kultig aus. Drummer Bard drischt auf sein Kit ein, dass es eine wahre Freunde ist. An Performance, Tightness und Spielfreude gibt es absolut nichts zu meckern. Es ist lediglich der rote Faden in einigen Kompositionen, den man als Zuschauer vermisst. MAGICK TOUCH scheinen eine Menge Potential, aber sich songschreiberisch noch nicht hundertprozentig gefunden zu haben. Auf jeden Fall eine interessante, besondere Band, die man im Auge behalten sollte. Am meisten treffen heute 'Blades, Chains, Whips & Fire' sowie der Rausschmeißer 'Trouble & Luck' ins Schwarze.
Die folgenden Aussies DEAD CITY RUINS sind hingegen waschechte Rampensäue. Deren kerniger Hard Rock ist geradezu für die Bühne gemacht. Hier wird gegrinst, gepost, die Gitarren in die Höhe gerissen und mit jeder Menge Energie und Herzblut bearbeitet. Große Gesten, große Ohrwürmer und ein Sänger, der etwas an die Dänen D-A-D als auch Ozzy erinnert. Er beherrscht die melodische Dio-Schule ebenso wie die raue Rock‘n‘Roll-Röhre, beschwört immer wieder das Publikum, sucht Augenkontakt zu den ersten Reihen und feuert die Meute pausenlos an. Die gesamte Band ist ununterbrochen in Bewegung, der Schweiß fließt in Strömen, und die Band spielt, als ginge es um ihr Leben oder es wäre ihr allerletzter Gig. Ein besseres Kompliment kann man den DEAD CITY RUINS eigentlich nicht machen. Viele Anwesende sind mit dem Songmaterial noch überhaupt nicht vertraut, aber gehen vom ersten Stück an völlig steil. Es gibt Mitsingspielchen, die Musiker zocken auch mal ein bisschen im Publikum oder bauen eine Jam-Passage ein. In der Position des Anheizers würde der Fünfer anhand dieser Rocksau-Macht so gut wie jedem Headliner gefährlich werden. Hut ab! Am meisten bleiben heute die Stücke 'Blue Bastard', das dem Publikum gewidmete 'We Are One' sowie der Schlusspunkt 'Where You Gonna Run' hängen. Ganz großes Kino – aber da nun AUDREY HORNE folgen, müssen wir uns um keinen Stimmungsabfall sorgen.
Die Bergener gehen ohne viel Gedöns sofort auf die Bühne und steigen gleich mutig mit zwei Songs ('This Is War', 'Audrevolution') von dem neuen, unglaublich guten Album „Blackout“ ein. Die Platte ist erst ein paar Tage veröffentlicht, aber das Publikum ist bereits sehr textsicher. Und das soll sich für den Rest des Abends noch so fortsetzen. Der schwer tätowierte Tätowierer und Sänger Toschie trägt auch heute wieder ein weißes Hemd und schwarze Krawatte – und scheint seit der letzten Tour keinen Tag gealtert zu sein. Oder sieht er sogar jünger aus? 'Out Of The City' bringt die Party weiter in Schwung und nicht nur der nun einen buschigen, angegrauten Vollbart tragende Bassist Espen Lien kann sich anhand dieser überwältigenden Resonanz sein breites Grinsen immer wieder nicht verkneifen.
Das Feierwerk kocht bereits nach dem dritten Song komplett über und der tosende Applaus in den Songpausen sowie die AUDREY HORNE-Sprechchöre finden kein Ende. Dies feuert den Fünfer während dem folgenden 'This Ends Here', dem Ice Dales Mutter gewidmeten 'Volcano Girl' als auch dem phänomenal gesungenen 'Midnight Man' immer weiter an. AUDREY HORNE spielen sich in einen regelrechten Rausch, posen sich auf der Bühne gegenseitig an, necken sich gegenseitig und legen eine Spielfreude an den Tag, von der sich einige satte und etablierte Rock-Größen mehr als eine Scheibe abschneiden sollten. Die beiden Gitarristen Ice Dale (Enslaved) und Thomas Tofthagen (Sahg) ergänzen sich perfekt, führen wie gewohnt die gesamte Rockstar-Posing-Enzyklopädie gemeinsam auf und sind derzeit ohne Übertreibung eines der besten Hard-Rock-Klampferduos weltweit. Bei der Darbietung des sich ganz ganz tief vor Thin Lizzy verbeugenden neuen Titelsongs 'Blackout' MUSS einem einfach das Herz aufgehen. Phil Lynott wäre stolz!
Mit 'The King Is Dead' gibt es eine länger nicht gehörte, unter die Haut gehende Nummer, ehe die Norweger mit 'Naysayer' einen weiteren neuen Track abfeuern. Der Ohrwurm 'Pretty Little Sunshine' sowie das rotzige, schnelle 'Straight Into The Grave' beenden dann erst mal das reguläre Set. Da das Publikum immer noch völlig aus dem Häuschen ist, lassen sich AUDREY HORNE nicht lange bitten und kehren zügig mit 'Redemption Blues' auf die Stage zurück. 'Waiting For The Night' mobilisiert noch einmal die letzten Kraftreserven auf und vor der Bühne, bis dies dann eigentlich keinen Unterschied mehr macht. Soll heißen, dass der letzte Song, nämlich der Überhit 'Blaze Of Ashes', von allen Musikern minus Drummer Kjetil komplett im Publikum performt wird. Dabei wird erneut so derbe gepost, gekuschelt und abgerockt, dass man die Norweger eben einfach lieben MUSS.
Sollen wir Angst haben, dass „unsere“ Band mit „Blackout“ so groß wird, dass sie vom Mainstream entdeckt werden? Zu gönnen wäre es ihnen ja schon – aber es kann ruhig noch etwas dauern! Schließlich machen Rock-Shows dieser Art immer noch in kleinen, verschwitzten Clubs am meisten Spaß. Therapeutisch wertvolle Stunden voller zufriedener Musikfans. Zum Konzertende sieht man durch die Bank nur zufrieden grinsende Leute an den Merch- bzw. Bierstand rennen. Ein denkwürdiger Konzertabend!
Text: Markus Wiesmüller (MWM)
Fotos: Anastasiya Wiesmüller (AWM)