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VAN HOLZEN, GET JEALOUS @ IM WIZEMANN, STUTTGART – 31.01.2024

Es ist immer wieder mal gut die musikalische Komfortzone zu verlassen und in verwandten Genres zu wildern. Genau aus diesem Grund verschlug es die Legacy-Delegation heute Abend ins Wizemann, einer sehr coolen Konzert Location inmitten eines ehemaligen Industriekomplexes. Die Atmosphäre in dem Venue ist sehr angenehm und entspannt. Und das Angebot an Speis und Trank kann sich wirklich auch sehen lassen. Unbedingt probiert haben muss man mal die dortige Currywurst!

Der heutige Altersdurchschnitt liegt ein wenig unter dem typischen Rock-/Metal Konzert Wert von älteren Helden. Soll heißen, es befinden sich mehr Teens und Twens als 40s und 50s vor der Bühne. Aber auch solche plus in Würde ergraute Altrocker sind im Publikum auszumachen. Aufgrund es jüngeren Alter der Musiker(Innen) welche heute auf der Bühne stehen, war dies nicht unbedingt zu erwarten. Den Anfang macht heute GET JEALOUS, deren Stil gar nicht so leicht zu beschreiben ist. Klassischer Punk-Rock und Pop-Hooks finden sich im Grundsound gleichermaßen wie Alternative-Vibes und kauzige Einschübe. Die Niederländische Formation geht vom ersten Ton an mit viel Motivation und Drive zu Werke, versprüht eine Menge Lebensfreude und positive Energie. Bassistin Marike als auch Rampensau Otto sind ständig in Bewegung, posen sich gegenseitig zu und halten Kontakt mit den ersten Reihen vor der Bühne. Speziell Marike ist so ziemlich am Dauergrinsen und mit einer sehr bezaubernden Ausstrahlung gesegnet der sich viele nicht recht entziehen können. Ein echter Blickfang! Was Outfits und Attitude betrifft, geben sich GET JEALOUS betont bodenständig und natürlich, was sehr authentisch und sympathisch wirkt. Ebenfalls erwähnt werden sollte Drummer Marek, der zwar stets songdienlich und unaufdringlich, aber wirklich arschtight trommelt und das Trio perfekt zusammenhält und höllisch grooven lässt. In der heutigen Setlist bleiben `Casually Causing Heartbreaks`, `Alg. P.`, `Sex After Parties`, `Wannabe Skater` und `Otto` am meisten hängen. Besonders prägen sich auch die wiederholten Ausflüge von Otto, welche sich Gendermäßig nicht festlegen will und dies auch in Songs behandelt, in Richtung Publikum ein. Egal ob zwischen den Leuten mit Klampfe abgerockt oder auf den Schultern eines Gastes gesungen wird. Hier ist wirklich Rock `n Roll von jungen wilden angesagt. Eine tolle Band die man unbedingt im Auge behalten sollte!

VanHolzen 1

Die Ulmer Formation VAN HOLZEN ist bereits seit 2015 aktiv und erspielte sich über die letzten Jahre einen Ruf als hervorragende Live-Band als auch originelle und eigenständige Deutsche (Post-)Punk/Rock-Hoffnung. Vorher hatten die Musiker schon als Coverband zusammengespielt und sind deswegen eine stets gut geölte Maschine. Nicht nur die Deutschen Texte und gelegentlich eingestreuten Elektronik-Effekte und Noise-Eruptionen sind recht extravagant und wirken sehr erfrischend. Was Groove und insbesondere Rhythmik der Drums betrifft, so fühlt man sich auch immer wieder mal an ältere Killing Joke erinnert. Ebenso finden sich Zitate von Stoner-Rock Größen wie Queens Of The Stone Age im Grundsound des Trios wieder. Im Kern sprechen wir aber von hartem Punk-Rock, der auch von einer gelegentlichen Metal-Kante und poppigen Passagen nicht zurückschreckt. Was die teilweise hypnotischen Songaufbauten und Wutentladungen betrifft, passt dies auch zu der Vorgehensweise einer Combo wie Tool. Wobei VAN HOLZEN nur sehr selten genauso verträumt und trippig agieren. Was in Texten und Melodien allgegenwärtig ist, wäre eine gewisse Schwere Melancholie und Dystopische Grundstimmung, die aber immer Hoffnung sowie das Licht am Ende des Tunnels durchschimmern lässt. Sänger und Gitarrist Florian Kiesling hat ordentlich Charisma und wirkt gleichermaßen noch recht jugendlich als auch souverän auf der Bühne. Eine gute Mischung aus Selbstbewusst und down-to-earth. Gleich nach den ersten beiden Stücken `Ein neues Programm` und `Stich Für Stich` betont er, wie sichtlich Bock die Band heute hat und den Gig in Stuttgart quasi fast als Heimspiel sieht. Die Deckenfluter-artigen Spotlights, die über allen Musikern montiert sind und regelmäßig Stroboskop-Salven abgeben sowie die recht dunkle, aber gleichermaßen farbenfroh gehaltene Lichtshow erzeugt eine intensive Atmosphäre. Mit `Arche` gibt es das erste große Highlight, bei dem die Querdenker- und Aluhut-Fraktion schon ihr fett wegbekommt. Während `Erfolg`, `Karneval` und `Dauerhaft` heizt sich die Stimmung in der Halle weiter an. Von tanzenden Damen, mitgröhlenden Männern über Pogo-Pits ist so ziemlich alles auszumachen. Bassist Jonas Schramm zeigt immer wieder, dass er tolle Backing-Vocals beisteuern kann und speziell bei härteren Screams und Shouts tolle Akzente setzen kann. Eine Stange Hits und Eingängigkeit verpasst uns anschließend `Regen`, `Der Schönste` und speziell `Gras`, das gefühlt von nahezu jedem anwesenden textsicher mitgesunden wird. `Irgendwas` und `Nie` stellen, weil etwas ruhiger, eine kleine Verschnaufpause dar, ehe es mit dem treibenden `Nagel` wieder ordentlich auf die Mütze gibt. Düster und knallhart wird es danach mit `Biss`, was für den Rezensenten textlich und musikalisch eines der größten Highlights des heutigen Abends ist. `s/w`, `Zeit Zieht` und `Virtuell` rücken dann wieder Atmosphäre, Experimente und Melodie in den Vordergrund. Insbesondere letzteres ist verdammt catchy und schwer wieder aus dem Kopf zu bekommen. Anschließend wird mit `Süchtig` ein neuer unveröffentlichter Track performt der definitiv das Zeug zum Hit hat. Dies ist `Herr Der Welt` bereits und bringt das Wizemann zum Siedepunkt wie bisher kein anderes Stück heute Abend. Ein Versuch Hip-Hop mit dem eigenen Sound zu verbinden ist `Ich Feier`. Kann man gut finden – muss man aber nicht. Drummer Daniel Kotitschke zeigt nicht nur während des großartigen `Deiner Meinung` so richtig was er kann. Vertracktes Tribal-Drumming, Post-Punk Verschlepptheit und klassische Rock-Beats: Dies hat er alles perfekt drauf und ist unüberhörbar extrem wichtig für den speziellen Sound von VAN HOLZEN. Dem beschwörenden, wunderschönen `Tauchen` kann man sich nur ganz schwer entziehen. Großes Kino und ergreifend von Florian gesungen. Die Band geht kurz symbolisch von der Bühne, um mit `Letztes Jahr` den Zugabe Block einzuläuten. Große Gefühle und überkochende Stimmung gibt es ganz zum Schluss noch mit dem Übersong `Schlafen` sowie dem entspannten Rausschmeißer `Alle Meine Freunde`. Beachtlich wo VAN HOLZEN in ihrem jungen alter nach nur drei Alben stehen. Dies Combo hätte es verdient mehr Beachtung zu bekommen und noch größer zu werden. Hoffentlich verlieren sie auf diesem Weg nicht ihre Härte und Bissigkeit, welche sie besonders von der zahlreichen Genre-Konkurrenz abhebt.

Text und Fotos: Markus Wiesmüller

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