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Schlagzeuger Bobby Caldwell hat in der langen Geschichte der Rockmusik so einige Spuren hinterlassen: Angefangen bei seinem Engagement bei der Band von Johnny Winter und Rick Derringer über die glorreichen Taten der außergewöhnlichen CAPTAIN BEYOND bis zu den Hard-Rockern von ARMAGEDDON hat sich der Drummer einen Namen gemacht. Ergänzend folgten noch Jam-Sessions mit Größen wie John Lennon, Ringo Starr, Duane Allman oder Eric Clapton. Es gab also viel zu erzählen für den Herrn, der mittlerweile (wieder) im Sunshine State Florida residiert…

Ein unglaublicher Kraftakt

Fangen wir zunächst ganz von vorne an und zwar wie es überhaupt dazu kam, dass Bobby Musik machte. Die Biografie des Schlagzeugers kündet von ersten Gehversuchen bei Gruppen wie The New Englanders oder Noah's Ark in den 60er Jahren. Doch bereits davor war Caldwell in diversen Schülerbands und -Orchestern zugange. „Schließlich ging ich eine Weile lang auf eine Militärschule, was nicht wirklich gut klappte. Als ich 14 Jahre alt war fing ich damit an, in diversen Rockbands zu spielen. Das waren so viele, die Du höchstwahrscheinlich noch nie zuvor in Deinem Leben je gehört hast. Die meisten Leute, mit denen ich Musik zusammen machte, waren viel älter als ich, etwa fünf bis sechs Jahre älter. So fing das ursprünglich alles an... Das ging alles ziemlich natürlich und spontan vonstatten: Man trifft sich mit Freunden, möchte eine Gruppe ins Leben rufen, diese oder jene Musik machen, was auch immer – und schon ist man Teil einer kleinen Band, das lief bei mir ab wie bei jedem anderen Musiker auch.“ Dabei war Florida, die Heimat Bobbys, damals ein ziemlich guter Nährboden für Rockmusiker jeglicher Couleur: „Es gab enorm viele Leute, die ursprünglich aus Florida kamen und die im Musikbusiness Karriere machten. Damals als ich noch jung war, war hier ganz schön viel los. Ich spielte überall in der Gegend, aber auch in anderen US-Staaten." Aufnahmen von The New Englanders oder Noah's Ark hat der Schreiberling selbst bis dato jedoch noch nicht gehört, insofern ist das eine relativ große Unbekannte im Schaffen Caldwells. "De facto nahmen wir mit Noah's Ark zuerst diverse Sachen für eine lokale Plattenfirma auf und dann wurden wir von Decca Records unter Vertrag genommen. Das war ein sehr harter Kampf, denn damals war es für eine Band aus Florida schwierig, einen Deal zu bekommen. Zur damaligen Zeit war ich gerade mal 16 / 17 Jahre alt."

 

Gesucht und gefunden


Beim legendären Auftritt von Johnny Winter beim 1969er Woodstock Festival war Bobby Caldwell noch nicht Teil der Band, allerdings stieß der Schlagzeuger nur wenig später zur Gruppe um den begnadeten Gitarristen. "Nun, das ist eine ziemlich interessante Geschichte: Ich mein, das Ganze passierte nicht plötzlich. Ich machte bereits einige Jahre lang Musik, nur damit sozusagen jemand mal Notiz von mir nehmen würde. Eines Tages erhielt ich zuhause einen Anruf von einem Freund von mir, der mich fragte, ob ich Lust hätte, zu ihm zu kommen und etwas mit Johnny Winter zu jammen. Nach etwas Hin- und Herüberlegen beschloss ich, das zu machen. Ich stehe eigentlich nicht so sehr darauf, mit anderen Leuten zu jammen, deswegen bin ich nicht gleich umgehend aufgesprungen und hingegangen. Ich begab mich dann aber trotzdem dorthin und saß mit all diesen Musikern zunächst nur etwas herum. Als es dann in den Proberaum ging, dachte ich noch, dass das lediglich eine lockere Jam-Session wäre, allerdings stellte sich daraufhin heraus, dass es eher eine Art „Vorspieltag” war. Ich setzte mich hinters Schlagzeug und wir spielten drauflos - und das war's! Wir zockten eine ganze Weile vor uns hin, es waren Rick Derringer (Gesang / Gitarre), Johnny (Gesang / Gitarre) als auch Edgar Winter, Bassist Randy Jo Hobbs sowie Leute unseres Managements anwesend. Als wir fertig waren boten sie mir an, in ihrer Band einzusteigen - so einfach war das!"

Die allererste Winter-Livescheibe „Live Johnny Winter And“ sowie das 1974er Studioalbum „Saints And Sinners“ waren dabei indes nicht die einzigen Platten mit Bobby hinterm Schlagzeug. "De facto gibt's da noch ein weiteres Live-Album namens "Johnny Winter And Live At The Filmore East", auf dem ich spiele, das Du vielleicht noch nicht kennst. Das ist nicht jene von Dir erwähnte hinlänglich bekannte Live-Scheibe, sondern eine andere. Diese drei Longplayer haben wir zusammen gemacht. Die besagte Platte ist jetzt erst seit etwa fünf Jahren draußen. Darauf sind einige coole Songs enthalten und sie ist qualitativ ziemlich gut geworden!" Anfang der 70er wurden indes auch CAPTAIN BEYOND ins Leben gerufen, wobei ein Auslöser für die Gründung dieser Band die Tatsache war, dass Bobby damals in eine recht ungewisse Zukunft blickte. "Johnny Winter beschloss, sich eine Auszeit zu gönnen, wobei er selbst nicht wusste, wie lange dies sein würde. Wir wussten ebenfalls nicht, wie lange er nicht zur Verfügung stehen würde, ob das letzten Endes auf nur einen Monat, sechs Monate oder ein ganzes Jahr hinausläuft. Wir alle befanden uns in einer äußerst ungewissen Situation. Die ehemaligen Iron Butterfly-Musiker Larry "Rhino" Reinhardt (Gitarre) und Lee Dorman (Bass) kontaktierten mich und meinten, dass sie planten, eine neue Band ins Leben zu rufen. Als Johnny damals alles auf Eis legte, ging ich nach Los Angeles und fing dort an, zusammen mit ihnen zu spielen und darüber zu reden, was wir tun könnten. Und so fing alles mit CAPTAIN BEYOND an, wir hatten einander quasi gesucht und gefunden. Genau zu diesem Zeitpunkt war Ex-Deep Purple-Sänger Rod Evans gerade eben aus England in die Staaten übergesiedelt und lebte Zeit in Los Angeles - so kam eins zum anderen..."

 

Picknick mit Deep Purple


Neben den beiden ehemaligen Iron Butterfly-Musikern und Rod Evans, dem ehemaligen Ur-Frontmann von Deep Purple, zählte neben Bobby noch ein Keyboarder namens Lewie Gold zur Gründungs-Besetzung von CAPTAIN BEYOND. Nach dem Tod der beiden Erstgenannten im Jahre 2012 sind Caldwell, Evans und besagter Gold die einzigen Musiker der Gruppe, die von Anfang an dabei waren und die heute noch am Leben sind. "Richtig, ist das eine Frage, haha?!? - Ja, gegenwärtig sind nur noch Rod, ich und unser erster Keyboarder Lewie noch am Leben. Letztgenannter verließ CAPTAIN BEYOND schon relativ früh in der Bandgeschichte aus persönlichen Gründen, das war noch vor den Aufnahmen zum Debüt. Und es ist richtig, dass wir drei die einzigen sind, die von Beginn an dabei waren." Nach Veröffentlichung der ersten beiden Purple-Scheiben „Shades Of Deep Purple“, „The Book Of Taliesyn“ sowie „Deep Purple“ zog sich Rod zum ersten Mal für drei Jahre lang aus dem Musik-Business zurück. 1972 folgte dann, für viele überraschend, die triumphale Rückkehr als Sänger von CAPTAIN BEYOND. Seine Ex-Bandkollegen hatten damals in der Zwischenzeit wegweisende Meilensteine der Rockmusik wie „Deep Purple In Rock“ oder „Fireball“ veröffentlicht und standen kurz davor, ihr kommerziell wohl erfolgreichstes Album „Machine Head“ auf die Menschheit loszulassen.

Nach dem CAPTAIN BEYOND-Zweitwerk „Sufficiently Breathless“ zog sich Rod 1973 komplett aus dem Musikgeschäft zurück, von einem versuchten „Wiederbeleben“ seiner Version von Deep Purple Anfang der 80er in den Vereinigten Staaten mal abgesehen. Bobby Caldwell scheint einer der wenigen Musiker zu sein, mit denen der ehemalige Sangesbarde auch heute noch regelmäßigen Kontakt pflegt. „Rod geht's hervorragend! Er hat mit Medizin zu tun, lebt in Kalifornien und hört sich immer noch Musik an, denn er liebt das einfach! Er hegt jedoch keinerlei Pläne, irgendwann mal wieder zu singen oder zu spielen, was mir persönlich auch wiederum sehr leid tut, denn er ist eine äußerst talentierte Person!" Selbst der Aufnahme von Deep Purple in die „Rock N' Roll Hall Of Fame“ in Cleveland, Ohio, wohnte der gebürtige Brite nicht bei. "Das hat mich überhaupt nicht überrascht: Weißt Du, wenn man schon seit sehr langer Zeit nichts mehr mit einer bestimmten Sache zu tun hat und jemand ein Picknick veranstaltet, hat man nicht unbedingt ein großes Interesse daran, sich dort blicken zu lassen, verstehst Du?! Das hat mich also überhaupt nicht überrascht. Ich denke darüber auch nicht großartig nach, weil ich meine, dass er fühlte, dass das einfach nicht das Richtige sei und so ist das nun mal...!"

 

Offen für spektakuläre Sachen


Wenden wir uns nunmehr dem einzigartigen Stil von CAPTAIN BEYOND zu: Bereits mit ihrem selbstbetitelten Debüt aus dem Jahr 1972 statuierte die Gruppe um Bobby Caldwell ein Exempel in Sachen Originalität, hatte man derart gelungenen Heavy Rock mit progressiven Ansätzen bis dato noch nicht gehört. Die einzelnen Stücke flossen auf dem Longplayer-Einstand regelrecht ineinander, die Platte war eindeutig als Gesamt-Kunstwerk konzipiert, welches am Besten in voller Länge an einem Stück genossen werden sollte. Direkte Einflüsse waren schwer auszumachen, zu eigenständig war der Ansatz der CAPTAIN BEYOND-Mannschaft, so dass dieses Debüt zeitlose Musik beinhaltet, die auch heute noch Relevanz besitzt. „Puh, Christian, wenn Du mich nach unseren damaligen Einflüssen fragst, so ist das eine recht schwer zu beantwortende Frage! Um meinen persönlichen diesbezüglichen Standpunkt zu erörtern muss ich erst mal etwas weiter ausholen: Als ich noch ein Kind war und damit begann, in Schülerbands zu spielen, hörte ich mir nicht nur damals populäre, gängige Musik im Radio an, sondern auch diverse Jazz-Sachen. Und eine dieser Jazz-Gruppen, die ich mir anhörte, war das Dave Brubeck Quartet. Als ich speziell diese Band hörte, war ich regelrecht hin und weg. Ich schaute mir als ich zwölf Jahre alt war einen ihrer Auftritte an. Und als ich mich vermehrt für Musik interessierte, lieh ich auch vermehrt Jazz-Gruppen mein Ohr. Ich versuchte, mich in das hineinzuversetzen, was die Musiker dort taten, was sie spielten usw. Ich beschloss, dass ich, wenn ich eines Tages an einen gewissen Punkt ankommen würde, bei dem ich das Glück hätte, die richtigen Leute zu treffen, die Musik dahingehend beeinflussen würde, dass sie in eine etwas abenteuerlichere Richtung gehen würde; Musik, die hinsichtlich Arrangements unvorhersehbar sein würde, die zuweilen auch auf konträr verlaufende Rhythmen zurückgreifen würde. Andererseits würde sie jedoch auch keinem Beat verpflichtet sein, den niemand verstehen und mögen würde. So fing das alles an, mich beeinflussten diesbezüglich de facto definitiv all die alten Jazz-Musiker!"

Auch heute noch verehrt Bobby die alten Jazz-Meister, ist jedoch mitunter auch jüngeren Künstlern gegenüber recht aufgeschlossen. „Normalen Radiostationen widme ich mir aber nicht allzu oft, denn hier bei uns werden dort nicht allzu viele gute Sachen gespielt. Ich stehe mehr auf Serious XM, das ist ein Satelliten-Radio. Generell höre ich mir aber nicht allzu oft Musik aktuellerer Künstler an. Manchmal höre ich etwas und ich kann nicht sagen, wer das gerade ist."

Ein weiterer Beleg für das Alleinstellungsmerkmal CAPTAIN BEYONDs ist die Tatsache, dass es nach Ableben der Band bis zum heutigen Tag nie wieder eine ähnlich klingende Gruppe geben sollte. 70er-Hard/Progressive Rock haben sich zwar gegenwärtig wieder viele Newcomer-Formationen auf die Fahnen geschrieben, aber zumindest das Debüt von Caldwell & Co. ist und bleibt ein kongeniales Novum. Das Gros der heutigen sogenannten „Vintage-Bands“ erschöpft sich darin, Althergebrachtes zu wiederholen, was zum einen als Beleg dafür angesehen werden kann, dass die Musik der damaligen Gruppen eben zeitlos war. Andererseits könnte man der heutigen Szene unter diesem Gesichtspunkt auch Ideenlosigkeit vorwerfen und dass an gängigen Schemata eisern festgehalten wird anstatt zu versuchen, etwas aufregend Neues zu erschaffen. „Ich muss an dieser Stelle ehrlich sein, weswegen ich sage, dass ich denke, dass eine Kombination all jener von Dir genannten Faktoren auf die Situation des gegenwärtigen Business zutrifft. Weißt Du, es ist wichtig, sich zurückzuerinnern: Wenn du heute Ritchie Blackmore, Mick Jagger, Jeff Beck, Robert Plant oder Jimmy Page interviewst, so wird dir wohl jeder einzelne dieser Musiker dasselbe sagen, was ich dir jetzt mitteilen werde. Als ich jung war, musste man sich Musik genau anhören und sich von den Leuten beeinflussen lassen, die die wahren bahnbrechenden Künstler waren. Die meisten Musiker orientierten sich an den alten Blues- oder Rhythm N' Blues-Scheiben. Man musste einfach seine Hausaufgaben machen und von diesen Größen lernen, was sie wie spielten! Bei heutigen Künstlern habe ich oft das Gefühl, dass sie nicht viel Zeit damit verbringen, sich mit der Musikhistorie auseinanderzusetzen. All das war damals auch eine ziemlich großartige Sache, schließlich entwickelten sich daraus wiederum andere Musikrichtungen. Aber nichtsdestotrotz braucht man unbedingt eine Grundlage. Aus Blues sowie Rhythm N' Blues gingen als verlängerter Arm quasi Chuck Berry sowie der gesamte Rock N' Roll hervor. Sicherlich hört es sich ziemlich klischeehaft an, wenn ich sage, dass man erst mal seine Hausaufgaben machen und von diesen Leuten lernen muss, aber so ist das nun eben einmal!"

Ist es heutzutage in der Rockmusik überhaupt noch möglich, etwas Eigenständiges, vollkommen Neues zu erschaffen? „Das ist eine weitere gute Frage, haha! Ich denke schon, alles ist möglich! Man braucht unbedingt gleichgesinnte Menschen um sich herum. Man benötigt das gewisse Quäntchen Glück, wirklich talentierte und kreative Leute in einer Band zu haben. Bei CAPTAIN BEYOND ging es uns in erster Linie um die Musik, das war das Wichtigste. Dafür zeichneten weitestgehend Rhino und ich verantwortlich, wir schraubten die Songs quasi zusammen. Die Texte stammten zu einem Großteil von Rod. Die Arrangements bei CAPTAIN BEYOND gingen jedoch zumeist von mir aus. Sie wären jedoch weder gut noch nützlich gewesen, wenn ich keine Leute an meiner Seite gehabt hätte, die das verstehen konnten, was ich tun wollte. So im Stile von: "Hör mal, lasst uns das machen und dann nach dorthin gehen, lasst uns jenes machen und dann passiert das usw." Man braucht Menschen, die für so etwas offen sind. Ich glaube, dass es möglich ist, dass Künstler wirklich spektakuläre Sachen bewerkstelligen, aber das wird immer schwerer, weil man gar nicht glaubt, wie viel harte Arbeit man in so etwas investieren muss. Das ist schon ein unglaublicher Kraftakt, glaub mir das...!"

 

Gespür für eigenwillige Klänge


Wahrscheinlich war die damalige Musikszene einfach noch nicht vorbereitet auf das was CAPTAIN BEYOND da auf ihrem Debüt offerierten, jedenfalls war der Platte bei Erscheinen anno 1972 nur mäßiger Erfolg beschieden. „Ich bin mir nicht sicher, ob die meisten Leute überhaupt wussten, wie sie damit umgehen sollten. Ich denke, dass eine grundlegende Interesselosigkeit vorherrschte, weil es der Otto-Normal-Hörer zunächst erst mal schlichtweg nicht verstand. Ich erinnere mich daran, dass ich mich damals in einem Plattenladen befand und ich den Mann, der dort arbeitete, fragte, wie sich unser Debütalbum verkaufte. Er meinte, dass das eine ziemlich schräge Angelegenheit sei und dass sich nicht viele Leute danach erkundigten. Die Platte verlangte den Leuten eher einen auserlesenen Geschmack sowie ein gewisses Gespür für eigenwillige Klänge ab. Ich denke dass, je mehr man sich die Scheibe zu Gemüte führt, man sie mehr und mehr mögen wird. Wobei ich jetzt natürlich nicht sage, dass jeder von diesem Album angetan sein muss, haha! Das ist nicht etwas was man auf den Plattenteller legt und das einen anspringt wie einer der neuesten Beatles-Songs und das man von Beginn an fantastisch findet - so etwas ist "Captain Beyond" keineswegs!"

Wenn man jedoch einmal gefangen ist und sich mit der Platte vertraut gemacht macht, lässt sie einen nicht mehr los, das Album wächst mit jedem neuen Hördurchgang. „Dankeschön! Ich denke, dass das richtig ist, speziell weil es darauf viel zu hören gibt und viel passiert. Man kann es zwei-/dreimal hören und hat das Gefühl, man würde da gerade zwei oder drei unterschiedlichen Alben lauschen. Es gibt da so viele Elemente, die sich einem erst nach mehreren Hördurchgängen erschließen. Sicherlich erschien die Scheibe auch in einem gewissen zeitlichen Kontext. Wenn ich mir die Platte heute auflege, kommen mir allerdings wiederum ebenso immer Dinge in den Sinn, die ich heute anders machen würde: Aber das wird immer so sein, an dieser kritischen Haltung wird sich nie was ändern. Ich denke mir dann immer: "Verdammt, man hätte damals diesen oder jenen Part besser singen, spielen oder anders arrangieren können. Diese kritische Herangehensweise an die eigene Musik kann man jedoch nie abstellen." Hinter den zuweilen ziemlich abstrusen Texten des Debüts, welche von Rod und Bobby verfasst wurden, steckt zudem immer eine Botschaft. Zuweilen waren für deren Entstehen ganz abenteuerliche Geschehnisse maßgeblich, wie Bobby verrät: „Hm, wo fange ich da jetzt am besten an? - Ich verfasste beispielsweise den Text zu 'Raging River Of Fear': Damals lebte ich noch mit Lee Dorman zusammen und ich hörte die ganze Zeit lang all diese Sirenen draußen - Polizei, Feuerwehr usw. - Und ich dachte nur "Mannomann...!“ Diese Umgebung inspirierte mich zu den Lyrics von 'Raging River Of Fear': Jeder fühlte sich irgendwie paranoid, dort drüben geschah gerade etwas und an einer anderen Ecke wurde jemand überfallen usw. Das beeinflusste mich, diesen speziellen Text zu verfassen."

 

Eine ziemlich chaotische Situation


Nach Veröffentlichung des Debüts verließ Caldwell CAPTAIN BEYOND jedoch, um zusammen mit dem ehemaligen Johnny und Edgar Winter-Gitarristen Rick Derringer 1973 die Scheibe „All American Boy“ einzuspielen. „Nun, zunächst lief bei CAPTAIN BEYOND alles noch hervorragend, wir kamen gut miteinander aus usw. Allerdings gab es Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Richtung, in die sich die Band künftig entwickeln sollte. Ich für meinen Teil dachte, dass wir's gerade richtig machten - und die Entwicklung der folgenden Jahrzehnte sollte meine Meinung bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg waren. Bestimmte Leute in der Gruppe wollten allerdings, dass sich einige Dinge ändern sollten. Dieser Meinung war ich jedoch nicht. Demzufolge endete dies in einem Konflikt unterschiedlicher Ansichten. Deswegen meinte ich, dass ich diese Gruppe verlassen würde, damit der Rest der Formation tun könne was sie wollten. Tja, so war das! Aber diese Trennung währte nur fünf Monate..."

In diese Zeit fällt dann auch die Veröffentlichung der zweiten CAPTAIN BEYOND-Scheibe „Sufficiently Breathless“, die als einzige ohne Bobby eingespielt wurde. Darauf öffnete die Formation ihre Musik zunehmend Einflüssen, welche sich abseits gängiger Rock-Schemata bewegten, so finden sich darauf etwas mehr Jazz-Elemente sowie Anleihen an die Santana der Mitt-70er. „Bestimmte Aspekte des Albums mag ich, ja. Allerdings denke ich nicht, dass das was da zu hören ist CAPTAIN BEYOND repräsentiert. Ich denke, dass Rod einige großartige Texte dafür verfasst hatte. Letzten Endes mag ich die Platte schon!" Ins Jahr 1974 fällt auch die Gründung von ARMAGEDDON, die zunächst als „Alllstar-Gruppe“ gehandelt wurden, traten dort doch neben Caldwell Größen wie Keith Relf hinterm Mikro (Yardbirds, Renaissance), Gitarrist Martin Pugh (Rod Stewart, Steamhammer) und Bassist Louis Cennamo (Renaissance, Steamhammer) in Erscheinung. Das erste und leider auch einzige, selbstbetitelte Album ist ein wahrer Heavy Rock-Kracher vor dem Herrn und ähnlich wie das CAPTAIN BEYOND-Debüt ein Referenzwerk in Sachen deftiger 70er-Mucke. Unternehmen wir nun den Versuch, beide Gruppen voneinander abzugrenzen und/oder Gemeinsamkeiten zu finden: „Hm, lass mich mal überlegen...in gewisser Hinsicht unterschieden sich beide Bands schon sehr, andererseits wiederum ähnelten sie sich sehr. Auch die Songs von ARMAGEDDON verfügten über ziemlich interessante Arrangements. Hinsichtlich der Produktion der Scheibe hatten wir einige Probleme, das hätte besser sein können. Auch diese Band hatte sich damals in Los Angeles getroffen und wir fingen schlichtweg spontan damit an, zusammen Musik zu erschaffen."

Leider ging bei Veröffentlichung der Platte einiges schief, was dazu führte, dass ARMAGEDDON seinerzeit lediglich nicht einmal eine Handvoll Auftritte absolvieren konnten, von einer umfassenden Tournee ganz zu schweigen. „Wir standen damals bei einem Manager unter Vertrag und unsere Plattenfirma fand ihn einfach nicht mehr! Wenn man sich mit der geschäftlichen Seite etwas auskennt, weiß man, dass man ohne Manager nichts machen kann, weil man als Band nicht über die Befugnis verfügt, etwas zu bewegen. Was hätten wir also tun sollen?!? - Ich meine, wir saßen damals nur herum und drehten Däumchen, weil uns in gesetzlicher Hinsicht sämtliche Hände gebunden waren! Tja, das war eine ziemlich chaotische Situation! Es war beabsichtigt, dass ARMAGEDDON als Opener einiger ziemlich etablierter Gruppen in Erscheinung treten sollten, aber letzten Endes wollte man uns in dieser Position nicht. Summa summarum spielten wir zwei oder drei Konzerte und das war's dann auch schon! Natürlich widersprach dies vollkommen dem was wir uns vorgestellt hatten, wir hatten weitaus mehr geplant gehabt! So bescheiden lief das damals alles ab, die Historie dieser Band verlief äußerst unglücklich! Es war eine regelrechte Schande, denn schließlich handelte es sich um eine großartige Gruppe und Keith Relf, Martin Pugh sowie Louis Cennamo waren wirklich exzellente Musiker! Ich genoss es sehr, dort zu spielen und ich mochte auch meine Mitstreiter sehr, wir hatten zudem viel Spaß. Wir alberten viel herum, konnten jedoch die Probleme mit unserem Manager nicht aus der Welt schaffen. Unsere Plattenfirma liebte uns, aber den Manager konnten wir einfach nicht aushebeln. Um es noch mal klar auszudrücken: Wenn einen ein Manager für irgendetwas unter Vertrag nimmt, man einen Plattendeal unterzeichnet und dann besagte Person nicht mehr auffindbar ist und sich verpisst hat, kann man selbst keine Deals mehr aushandeln, weil man diesbezüglich über keinerlei Befugnisse verfügt."

 

CAPTAIN BEYOND meets Death Metal


CAPTAIN BEYOND existierten indes nach der Auflösung ARMAGEDDONs weiterhin, doch auch hier war ein (vorzeitiges) Ende absehbar: Nach Veröffentlichung des Drittwerks „Dawn Explosion“ anno 1977, auf dem auch Caldwell wieder die Schlagzeugstöcke schwang, grub man die Gruppe schon ein Jahr darauf zu Grabe. Bobby zog sich etwas zurück, um bei einem professionellen Lehrer Gesangsunterricht zu nehmen und kam in den frühen 90er Jahren mit seiner eigenen Band zurück. „Ich hatte einfach Bock darauf, auch mal zu singen! Dann waren da einige Plattenfirmen und Geschäftsleute in der ganzen Angelegenheit involviert: Du weißt schon, ich spreche von diesem ganzen Dschungel, durch den man als Rockmusiker manchmal einfach durch muss. Ich machte dies viele Jahre lang und danach verließ ich Los Angeles, um wieder nach Florida zurückzukehren und um mich um meine kranken Eltern kümmern zu können. Allerdings machte ich weiterhin mit anderen Leuten Musik. Eines Tages etwa anno 2000 rief mich dann Rhino an und meinte zu mir, dass er Lust darauf hätte, CAPTAIN BEYOND wieder ins Leben zu rufen."

Erst um die Jahrtausendwende herum zeichnete sich so langsam ab, dass nachfolgende Generationen an Musikern und Hörern die Gruppe wieder für sich entdeckten. Nicht umsonst erschien 1999 mit „Thousand Days Of Yesterday“ ein Tributalbum, auf dem das Cover von 'Dancing Madly Backwards (On A Sea Of Air)' seitens der US-Heroen von Pentagram besonders herausstach. Darüber hinaus fanden sich darauf noch Beiträge von u.a. Rise And Shine, Standarte, The Flower Kings oder Locomotive Breath. "Ich bin immer noch jeden Tag aufs Neue davon überrascht, wie viele Menschen CAPTAIN BEYOND für sich entdecken, haha! Es gibt heutzutage so viele Leute, für die es ungemein spannend ist, sich unsere Musik anzuhören oder über unsere Band mehr zu erfahren und sich mit Gleichgesinnten diesbezüglich auszutauschen. Man realisiert eigentlich nie so ganz, wie viele Leute wirklich die eigene Musik hören. Genau das erzählte ich auch einem Freund von mir, der ungefähr 34 Jahre alt ist. Er meinte, dass immer wieder neue Hörer nachkommen würden, die diese Gruppe für sich entdecken. Das konnte ich, ehrlich gesagt, gar nicht glauben! Vor ein paar Jahren sollten wir mal in den Niederlanden auftreten, als ich gerade versucht hatte, CAPTAIN BEYOND wieder etwas auf die Beine zu helfen. Die Bands, die dort neben uns noch auftreten sollten, passten meiner Ansicht nach nicht wirklich zu dem was wir machten, das waren zum Großteil Gruppen, die Death Metal und solche Sachen zockten. Ich sprach daraufhin mit dem Promoter der Veranstaltung und meinte zu ihm, dass CAPTAIN BEYOND dort nicht wirklich hingehören würden. Ich sagte, dass wir keine Death Metal-Formation seien, dass wir damit rein gar nichts am Hut hätten! Und er meinte nur: ‚Nein, nein, nein, all diese Bands, all diese Leute dort lieben CAPTAIN BEYOND! Du verstehst das nicht, diese Menschen sind von eurer Gruppe sehr beeinflusst!‘ Um ehrlich zu sein, wäre mir so etwas nie und nimmer auch nur annähernd in den Sinn gekommen! Letzten Endes spielten wir dort zwar nicht, aber das ist es, was Du erwähnt hast, dass die unterschiedlichsten Leute CAPTAIN BEYOND für sich entdecken. Da gibt es eine gewisse schwedische Band, deren Musiker wirklich große Fans von uns sind...ah, genau, jetzt fällt's mir wieder ein, sie heißen Opeth! Im Laufe der Jahre haben sie mir desöfteren mal geschrieben, wir stehen quasi in regelmäßigem Kontakt. Es gibt da draußen viele Leute, die ähnlich drauf sind. Und ich finde es nett, wenn andere Menschen das was wir in der Vergangenheit gemacht haben zu schätzen wissen!"

 

Besser als das Album


Woher nimmt Bobby eigentlich die Kraft, die Band nach dem Ableben der beiden ehemaligen Iron Butterfly – Mitglieder und CAPTAIN BEYOND-Mitbegründer Larry Reinhardt und Lee Dorman weiterzuführen? „Der Grund, wieso ich diese Gruppe weiter fortführte waren jene Menschen, die sich beständig nach uns erkundigten! "Spielt hier hier oder dort?" "Macht ihr mit CAPTAIN BEYOND weiter?" - Das Ganze wird schlichtweg immer größer. Ich dachte mir also, dass ich, wenn Gott will, diese Gruppe fortführen würde, sollte ich die richtigen Leute zusammenbekommen. In vielen älteren Gruppen sind heutzutage nur noch ein oder zwei Gründungsmitglieder mit von der Partie. Ich dachte mir also, dass ich das machen würde, wenn ich einige wirkliche exzellente Musiker um mich scharen könnte. Wir fingen damit an, CAPTAIN BEYOND wieder ins Leben zurückzuholen und werden im nächsten Monat in Florida live auftreten. Danach werden ein paar Dates an der Ostküste in Maryland und Virginia folgen.“ Selbst einem Abstecher nach Europa ist Caldwell keineswegs abgeneigt: „Es gibt noch keine konkreten Pläne, aber ich bin mir sicher, dass sich diesbezüglich zukünftig mal was ergeben wird! Zudem sollte jeder wissen, dass demnächst ein neues CAPTAIN BEYOND-Album namens "Lost And Found" erscheinen wird! Darauf befinden sich unter anderem ein paar Songs, die Rod damals noch geschrieben hatte und die bis dato noch nie jemand gehört hat. Darüber hinaus gibt's darauf noch das Original-Demo sowie eine Unmenge anderer Sachen. Ich denke, dass die Scheibe in etwa einem Monat erhältlich sein wird. Einige der darauf enthaltenen Demo-Versionen hören sich meiner Meinung nach sogar besser als die Sachen an, die letztendlich auf dem Album landeten!"

„Lost And Found“ vereint dabei ausschließlich alte Aufnahmen, neue Ideen wird man vergeblich suchen. „Richtig, darauf sind explizit sämtliche alten Demo-Aufnahmen enthalten, die die Gruppe damals einspielte. Aber man kennt ja die Leute: Die mögen so etwas, jeder ist schon ganz aufgeregt was diesen Tonträger betrifft! Normalerweise habe ich schon ein Problem mit derlei Veröffentlichungen, aber in unserem Fall muss ich wirklich sagen, dass die Demo-Geschichten teilweise definitiv besser als die Album-Versionen klingen! Das ist jetzt zwar nur meine subjektive Ansicht, aber objektiv gesehen klingt es wirklich gut, haha! Wir spielen einige der darauf enthaltenen Songs auch live. Ich weiß nicht, ob du schon mal unsere 2000er EP "Night Train Calling" gehört hast? - Davon geben wir auf der Bühne beispielsweise das Titelstück 'Night Train Calling (Crystal Clear)' zum Besten."

Drehen wir abschließend das Rad der Zeit noch etwas zurück in die 70er: Aufgetreten sind CAPTAIN BEYOND damals laut Aussage Caldwells relativ oft, schließlich wollte man ja irgendwie den Durchbruch schaffen. „“Wir spielten beispielsweise zweimal im "Hollywood Bowl" in L.A. zusammen mit Künstlern wie Black Sabbath, Gentle Giant und Alice Cooper." Auf die allerletzte Frage weiß Bobby jedoch keine Antwort, geht es doch um seine persönlichen Konzert-Highlights respektive die intensivsten Momente seiner Musikerkarriere: „Ich bin mir sicher, dass es da den einen oder anderen Auftritt gibt, der sehr intensiv war, aber leider kann ich mich heute daran nicht mehr so genau erinnern…"

Noch so viele weitere Begebenheiten hätten im Rahmen dieses Interviews angesprochen werden können, so beispielsweise Caldwells kurze Mitgliedschaft bei Größen wie The Allman Brothers oder Cactus. Aber irgendwann muss auch mal Schluss sein. Zeit also, sich zu verabschieden: "Ich hoffe, dass wir uns mal im Rahmen eines Konzertes begegnen werden! Ich genoss dieses Interview wirklich sehr, es war mir eine Freude, mich mit dir zu unterhalten! Ich schätze es wirklich sehr, dass du viele gute Fragen parat hattest. Wir bleiben in Kontakt, und ich teile dir mit, was bei uns grad so los ist und ob und wann wir mal bei Euch in Europa spielen werden...! Bis dahin tschüss und Bye-Bye!"

 

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