Heavy Metal ist mehr als nur Musik – es ist ein kraftvolles Statement, das die Grenzen der Konventionen sprengt. Mit dröhnenden Gitarrenriffs und donnernden Drums schafft der Metal eine Atmosphäre, die das Publikum an den Rand des Möglichen führt, wo jeder Schlag des Schlagzeugs wie ein Herzschlag die Spannung steigert. Diese Inszenierung des Extremen erinnert an einen der größten Illusionisten aller Zeiten: Harry Houdini. Wie ein Metal-Konzert, das die Energie ins Unermessliche steigert, nutzte Houdini seine Fluchtkünste, um die Zuschauer in Atem zu halten. Bekanntermaßen befreite er sich aus Ketten, Zwangsjacken, verschlossenen Kisten und sogar Wassertanks – stets begleitet von einer dramatischen Inszenierung, die, ähnlich wie der Metal, das Publikum an die Grenzen der Vorstellungskraft führte. Über ein Jahrhundert später fasziniert er noch immer – nicht nur durch seine Fähigkeiten, sondern durch das unbändige Streben, das Unmögliche möglich zu machen.
Dieses Jahr wäre er 150 Jahre alt geworden, und zu diesem besonderen Anlass würdigt das Hildener Hörspiellabel Titania Medien den legendären Entfesselungskünstler mit gleich zwei Hörspielen.
Zum einen erhält er einen Auftritt in der legendären Holmes-Reihe SHERLOCK HOLMES – DIE GEHEIMEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVS. In Folge 065 – DER FALL HARRY HOUDINI entgeht der Illusionist während eines Auftritts nur knapp einem heimtückischen Säureanschlag. Wer könnte es auf ihn abgesehen haben? Um das herauszufinden, wendet sich der Entfesselungskünstler natürlich an Sherlock Holmes, der sich umgehend mit Dr. Watson auf den Weg macht, um beim Circus Busch in Berlin zu ermitteln … Einmal mehr glänzt das Hörspiel nicht nur mit einer spannenden Handlung, die ganz nebenbei wieder viel historisches Wissen vermittelt, sondern auch mit hervorragenden Sprecherleistungen. Allen voran Joachim Tennstedt als Sherlock Holmes und Detlef Bierstedt als Dr. Watson, die den Figuren ihre gewohnt unverwechselbaren Stimmen verleihen, sorgen für ein fesselndes Hörerlebnis.
Zum anderen wird auch in der GRUSELKABINETT- Reihe ein Houdini-Auftritt geboten. Folge 192: GEFANGEN BEI DEN PHARAONEN entführt uns ins Jahr 1910 und basiert angeblich auf einer wahren Begebenheit. Hier wird der Meister der Entfesselung während einer Reise nach Ägypten von zwei Gaunern gefangen genommen und in eine finstere Grube verfrachtet. Dort muss er allerdings feststellen, dass er nicht allein ist – etwas Dunkles lauert in den Schatten …
Bei der Ersterscheinung in dem Magazin „Weird Tales“ im Jahr 1924 wurde die Geschichte als Tatsachenbericht, verfasst von Houdini, veröffentlicht. Heute weiß man, Houdini hatte die Grundidee zwar erzählt, verfasst hatte die Geschichte jedoch ein Ghostwriter, und das war kein Geringerer als Horrormeister H.P. Lovecraft.
Dieser hielt Houdinis Erzählung für reine Erfindung und bat darum, sich bei der Ausarbeitung der Geschichte künstlerische Freiheiten zu nehmen. Diese Zusage hatte er auch erhalten, und so entstand eine Geschichte, die jedoch niemand jemals zu lesen bekam, denn Lovcraft verlor das Manuskript am Bahnhof. Infolgedessen musste er einen Großteil seiner Hochzeitsreise absagen, um die Geschichte neu zu schreiben. Die doppelte Mühe hat sich allerdings gelohnt, denn das Skript fesselt durch seine unheimliche Atmosphäre, eine spannende Handlung und ein überraschendes Ende.
Dass die Umsetzung in ein Hörspiel so hervorragend gelungen ist, liegt neben der erstklassigen Story und den brillanten Sprechern um Matthias Lühn, den man unter anderem als Stimme von Professor Zamorra kennt, vor allem an der außergewöhnlichen Arbeit von Marc Gruppe, der sich hier einmal mehr für Skript und Regie verantwortlich zeichnete. Als Autor und künstlerischer Leiter verleiht er nicht nur seinen eigenen Werken, sondern auch den Geschichten zahlreicher Literaturgrößen eine lebendige Stimme. Zum Start des Houdini-Double-Features hatten wir die Gelegenheit zu einem Interview mit ihm.
Dieses Jahr wäre Harry Houdini 150 Jahre alt geworden. Am 25. Oktober erschienen mit SHERLOCK HOLMES – DIE GEHEIMEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVS, Folge 065: DER FALL HARRY HOUDINI und GRUSELKABINETT, Folge 192: GEFANGEN BEI DEN PHARAONEN gleich zwei Geschichten, die ihn in den Mittelpunkt stellen. Ist das Zufall?
Marc Gruppe: Natürlich ist das kein Zufall. Als Erstes haben wir die äußerst spannende Geschichte ausgegraben, in der Sherlock Holmes und Doktor Watson Harry Houdini während seines Gastspiels im Berliner Circus Busch aus einer sehr brenzligen Situation retten müssen. Im Gespräch ist uns dann eingefallen, dass es im Werk von H.P. Lovecraft ja auch eine Geschichte gibt, in der Harry Houdini der Protagonist ist. Die Idee, diese beiden Geschichten quasi als Double-Feature zu vertonen, hat uns sehr inspiriert.
Metal-Musiker wie Ozzy Osbourne oder Alice Cooper setzen stark auf visuelle Effekte und dramatische Inszenierungen in ihren Konzerten. Sehen Sie Parallelen zwischen diesen modernen Ikonen und Houdinis Art, das Publikum in seinen Bann zu ziehen?
Hier sehe ich sogar viele Parallelen. Es geht ja sowohl bei den Bühnenshows der Musiker als auch bei Harry Houdini darum, Illusionen zu erzeugen und das Publikum in Staunen zu versetzen. Nehmen wir als Beispiel Alice Cooper, da er ja gerade erst in Deutschland auf Tour war. Er sagt selbst von sich, dass er jede Show zu seiner besten machen wolle. Und er hat sich schon einige Male selbst übertrumpft, wenn er ganze Gruselburgen auf der Bühne installiert und auf der Leinwand mit fulminanten Projektionen für Staunen gesorgt hat. Fester Bestandteil seiner Auftritte ist eine lebensechte Guillotine, die sein Bühnen-Alter-Ego köpft. Wenn er den Kopf nicht rechtzeitig wegzieht, kann dieses Gerät ihn ernsthaft verletzen oder sogar töten. Anders als bei Houdini wissen die Zuschauer, dass hier getrickst wird und wie der Trick funktioniert. Trotzdem geht es hier um Illusion, um Spektakel und den Wunsch, die Fans mit etwas Neuerem, Spektakulärerem zu überraschen, ihnen Angst einzujagen oder zumindest für Nervenkitzel zu sorgen. Wer das Cover zu Helloweens Album „Keeper Of The Seven Keys Part I“ zum ersten Mal sieht, wird augenblicklich von einer geheimnisvollen Glaskugel voller Schlüssel in den Bann gezogen. Sie wird von einem Mann ohne Gesicht in Händen gehalten, bei dem es sich offensichtlich um einen Magier handelt. Anscheinend ist das Cover als Einladung in eine andere Welt zu verstehen, sobald man die dazugehörige Musik hört. Viele der Heavy-Metal-Künstler verstehen ihre Songs als Vermittlung zwischen Diesseits und Jenseits, Traum und Wirklichkeit, Magie und Realität. Die Beispiele sind zahllos, bei denen Totenschädel, Piraten, Gerippe, Monster und allerhand andere Gestalten das Tor zu einem musikalischen Spektakel bereiten, für das der Heavy Metal steht. In unserem Sherlock-Holmes-Hörspiel haben wir uns daher besonders bemüht, das Spektakel, das mit Houdinis Auftritten verbunden war, akustisch in möglichst vielen Facetten darzustellen. Ich denke, dass sich an der Haltung der Zuschauer und dem Reiz, der mit den Attraktionen verbunden ist, im Lauf der Jahrzehnte nichts geändert hat.
Was fasziniert Sie persönlich an Harry Houdini und seiner Lebensgeschichte?
Harry Houdini war ein absoluter Meister der Selbstvermarktung. Seine ausgiebige Beschäftigung mit dem Spiritismus ist sehr zwiegespalten und daher besonders interessant für die Nachwelt. Er war ja ein großer Skeptiker und hat viele Scharlatane entlarvt. Dennoch hat er zu Lebzeiten ein Rätsel für die Zeit nach seinem Ableben hinterlassen, welches verschiedene, medial begabte Personen immer an seinem Todestag in einem Zirkel um seine Frau Bess in seiner Villa durch die Beschwörung seines Geistes versucht haben zu lösen.
Wie haben Sie sich auf das Schreiben der beiden Geschichten vorbereitet?
Wir haben uns wie immer streng am Text orientiert und hier und da einige historische Tatsachen einfließen lassen.
Sind Sie bei der Recherche auf etwas gestoßen, das Sie überrascht hat?
Das ganze Leben von Harry Houdini ist im Grunde genommen eine Aneinanderreihung von Überraschungen. Er hat es verstanden, sich immer wieder als Entfesselungskünstler selbst zu erfinden, um sich hinterher zu übertreffen.
Lovecraft selbst hielt Houdinis angeblich wahre Erzählung für komplett ausgedacht. Was denken Sie?
Ich schließe mich Lovecrafts Gedankengängen in diesem Fall voll und ganz an. Natürlich ist das alles erfunden und Teil einer ausgeklügelten Marketing-Strategie, um Houdinis Namen noch bekannter zu machen. Ich vermute allerdings, dass nicht Houdini, sondern vor allem Lovecraft die diversen Ereignisse in der Horrornacht in Ägypten ersonnen hat, denn da gibt es ja viele Parallelen zu dessen eigenen Werken. Wie würden Sie die Dynamik zwischen der historischen Figur Houdini und der fiktiven Welt Lovecrafts beschreiben? Das harmoniert erstaunlich gut. Lovecraft war einfach ein Könner und wusste genau, was er seinen Lesern, aber auch dem berühmten Auftraggeber, schuldig war.
Bei SHERLOCK HOLMES – DIE GEHEIMEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVS ist Harry Houdini ja nicht die erste bekannte historische Person, die einen Auftritt bekam. Man kann die Serie durchaus als Who‘s who des viktorianischen Englands bezeichnen. Auf wen dürfen wir uns in den kommenden Folgen freuen?
Oh, da habe ich noch so manche Persönlichkeit in der Warteschleife stehen, die auf ihren Auftritt wartet. Die eine oder andere historische Persönlichkeit werden wir schon noch unterbringen können! Da bin ich sehr zuversichtlich. Queen Victoria zum Beispiel fände ich eine geeignete Kandidatin für einen Auftritt in der Reihe. Demnächst bekommen die Jungs aus der Baker Street es aber erst einmal mit der organisierten Kriminalität aus Italien zu tun. Zuvor wird aber im November noch ein äußerst brutaler Fall in Boston aufgeklärt. Dort verschwinden immer wieder Damen der Gesellschaft spurlos. Natürlich kommen dann auch die amerikanischen Polizeibeamten nicht umhin, Sherlock Holmes um Hilfe zu bitten.
Wie sieht Ihre Arbeitsweise bei SHERLOCK HOLMES – DIE GEHEIMEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVS aus, bzw. wie wählen Sie die historischen Persönlichkeiten aus?
Dabei spielen natürlich eigene Vorlieben und private Steckenpferde eine Rolle.
Gab es auch schon mal eine Person, die Sie gern verwenden wollten, aber nie unterbringen konnten?
Oh, diese Liste ist lang. Aber da will ich nicht zu viel verraten. Man soll ja niemals nie sagen.
Was denken Sie persönlich über Harry Houdini? Können Sie sich gut mit ihm identifizieren?
Ganz ehrlich muss ich sagen, dass ich Houdini ein bisschen anstrengend finde, weil er so ein extrem übersteigertes Selbstwertgefühl hatte, und ich mag es per se nicht besonders gerne, wenn Menschen sich selbst derart wichtig nehmen. Aber ich habe ihn während meiner jahrzehntelangen Beschäftigung mit spiritistischen Themen natürlich immer wieder zur Kenntnis genommen und finde es durchaus faszinierend, was er in seinem Leben geleistet hat.
Gibt es Aspekte von Harry Houdinis Leben, die Sie gerne in zukünftigen Projekten weiter erkunden würden?
Vielleicht greifen wir seine Leidenschaft für den Spiritismus noch mal auf. Er war ja durchaus zerrissen in seiner Meinung darüber, ob es so etwas wie Kontakte zum Jenseits gibt oder nicht, und sein Umgang mit dem Thema, seine Begeisterung, seine Zweifel und Handlungsweisen sind auch heute noch sehr interessant und inspirierend. Allein wenn man sich im Bereich des Heavy Metal umsieht, findet man außerordentlich viele Songs, die von Täuschung, Mystik und Okkultismus handeln. Nehmen wir nur mal ‚Moonchild‘ von Iron Maiden. Oder den den Song ‚The Last In Line‘ von Dio, der von Suchenden auf dem Weg zu einer Hexe erzählt, um die Wahrheit zwischen Gut und Böse aufzudecken. Immer wieder geht es um die Themen Wirklichkeit und Illusion, Täuschung, Aberglauben, aber auch Entfesselung als psychischen Befreiungsakt. Das alles waren ja auch Houdinis Themen, und diese haben nicht nur tolle Songs im Heavy Metal hervorgebracht, sondern tauchen in allen möglichen Varianten auch in Gruselgeschichten auf, die wir als Vorlagen für unsere Hörspiele verwenden können.
Florian Tritsch
Titel: GRUSELKABINETT: GEFANGEN BEI DEN PHARAONEN (Folge 192)
Autor: H.P. Lovecraft/Marc Gruppe
Laufzeit: ca. 83 Min.
Verlag: Titania Medien
Verkaufsstart: veröffentlicht
Titel: SHERLOCK HOLMES – DIE GEHEIMEN FÄLLE DES MEISTERDETEKTIVS: DER FALL HARRY HOUDINI (Folge 65)
Autor: Marc Gruppe
Laufzeit: ca. 82 Min.
Verlag: Titania Medien
Verkaufsstart: veröffentlicht