Ob sie damit nun Forefather, die aufgelösten Genre-Vorreiter Ragnarok, die streitbaren The Meads Of Asphodel, Old Forest, Winterfylleth oder gar Label-Genossen wie Fen meinen, lässt Drummer Alasdair, der die Texte eher proklamiert denn singt oder schreit, teilweise offen. „Nationalismus und Romantisierung der Geschichte des eigenen Landes oder der eines anderen sind sicher keine neuen Strömungen in der Musik, erst recht nicht im hiesigen Black Metal. Wir attackieren niemanden dafür, wie oder warum sie Musik machen, aber wir verschwenden keine Zeit für Stolz auf unterdrückende Nationen, weder in der Musik noch anderswo. Da stimmen viele dagegen und nur wenige zu. Es fühlte sich so an, als ob es Raum für ein klares Statement bezüglich dieser weitgehend akzeptierten Tatsache geben würde. Bei Fen geht es vielmehr um eine persönliche Auseinandersetzung mit der Umgebung, nicht in den Kategorien von Nation oder Volk. Es sind bei ihnen persönliche Erfahrungen, eher Poesie als Propaganda. Ich empfinde nichts als Respekt für sie. The Meads Of Asphodel waren für mich immer eine Quelle des Vergnügens, eine großartige Band, deren ,Botschaft‘ man aber mit einer nahezu tödlichen Prise Salz genießen muss und bei der einem die Zunge direkt durch die Backe sticht.“
Schon im Heftinterview hat Alasdair seine Beziehung zur Musik von Primordial herausgestellt. Diese fußt in Tradition, aber in den Texten glorifiziert Alan keineswegs die Vergangenheit, sondern klagt an. „Wir hatten noch nicht viele Gelegenheiten, diese Themen mit unseren Zeitgenossen zu diskutieren, aber jetzt mit Erscheinen des Albums wird das sicherlich unausweichlich. Alan und ich hatten einige Konversationen, aber an die meisten wird er sich sicherlich nicht erinnern. Meist drehten sich die Gespräche auch um die unterhaltsameren Themen wie Musik und Ausschweifungen. Ich lese häufig seine Kolumne im Zero Tolerance-Magazin und kenne daher seine Einstellung zu vielen Dingen. Wir liegen da bei einigen Themen ideologisch weit auseinander, aber ich würde es nie ablehnen, darüber mit ihm zu sprechen. Das gilt auch für alle anderen Musiker, die einen verbalen Austausch suchen. Ich habe und werde Primordials Musik immer genießen. Ihre Rhythmen und das, was ich wage, es Malaise zu nennen, ergänzen sich perfekt mit ihrer Intention. Das gilt auch für ASHENSPIRE: Es bringt nichts, in der Vergangenheit zu leben. Man muss sie nur kennen und in das Verständnis und das Handeln bei heutigen Themen einbeziehen. NSBM-Bands sind für mich lächerlich, sie werden nur von jenen Ernst genommen, die ohnehin mit ihren Ansichten übereinstimmen. Heimtückischer sind jene, die in kleinen Zusammenhängen subtil Kontexte auslöschen, schrittweise die Geschichte sterilisieren und bestimmte als wichtig dargestellte Menschengruppen glorifizieren. Durch das Glorifizieren einer Gruppe entbindet man sie von ihrer Verantwortung, stattdessen sucht man sich als Sündenbock für die eigenen Probleme eine andere Gruppe. Am besten eine verletzliche, die kaum die Stimme zum Protest erheben kann. Diese Attitüde durchzieht Kulturen, nicht nur die Musik, und man beobachtet in der westlichen Welt rechten Populismus und Xenophobie. Das ist nicht immer ein bewusstes Ziel dieser Musiker, aber das Resultat ist offensichtlich. Historisch betrachtet ist Glasgow eine sozialistisch geprägte Stadt, aber solche Strömungen gibt es hier wie überall sonst, nur die Proportionen variieren.“
ASHENSPIRE drehen nicht das umgedrehte Kreuz herum – so wie Horde; sie setzen der Genre-typischen Misanthropie beispielsweise ein Engagement für Flüchtlinge entgegen. Christliche Motive können da kaum hinter stehen, denn man kann den Imperialismus schwer bekämpfen, ohne die Rolle der Kirche darin zu attackieren. „Man kann nicht eine kraftvolle Institution verdammen und die andere ignorieren. An der Kirche als Institution habe ich immens viel zu kritisieren. Aber man kann auch als Christ die Kirche kritisieren. Die besten Christen sollten wie Jesus sein: schonungslos kritisch gegenüber den religiösen und politischen Machthabern, mit einer deutlichen Sprache und den dazu passenden Taten. Soziale Gerechtigkeit und Fairness, so wie sie in unserer Musik dargestellt werden, haben mehr mit dem eigentlichen Christentum gemein als weite Teile der heutigen theologischen Schriften.“
Mit dem Cover – einem aufgebockten Schiffsrumpf samt Arbeitern – hat die Band eine ikonische Darstellung des alten Glasgow und seiner Bewohner gewählt. „Das ist Symbol für den großen Kontrast zwischen den Verarmten und ihren Unterdrückern. Es ist interessant, dass die Armen und Ausgebeuteten daheim Schiffe bauten, die auf Reise gingen, um anderswo Menschen zu unterdrücken. Damit war alles unter der Kontrolle einer mächtigen Minderheit.“
Black Metal ist für Alasdair alleine schon deshalb vorhersehbar, weil es ein Genre ist. „Über die Jahre hat sich ein Konzept herauskristallisiert, was Black Metal ist und damit wurden Limitierungen entwickelt, was nur natürlich und nicht grundlegend schlecht ist. Unsere Kompositionen werden akribisch Stück für Stück entwickelt. ‚Restless Giants‘ erlebte sieben komplett unterschiedliche Inkarnationen, bevor es sich in der Fassung des Albums manifestierte. Improvisationen kommen erst im Studio dazu.“
Engagements in Bands, die wesentlich weniger verkopft agieren (Common Gods, Viking Galaxy, Code Of Silence) pflegt keins der ASHENSPIRE-Bandmitglieder mehr. „Dennoch haben wir natürlich auch den Drang zu Musik, die zügelloser ist, cheesiger, mit etwas mehr Shredding, mehr Wut, was auch immer. Es ist keine Schande, Musik aus Freude daran zu machen. Als ASHENSPIRE proben wir nicht so häufig, wie wir es gerne würden, in unserem mit vielen anderen Bands geteilten Raum, aber mit zunehmender Intensität für Gigs. Wir schreiben unsere Songs sehr langsam und isoliert, Fraser (Gitarre) und ich arbeiten alleine einzelne Teile aus und kombinieren sie, bis ein Song komplett ist.“
Text: BTJ
Foto: Deborah White / www.facebook.com/Ashenspire