30. Oktober 2025
Wiedergeburt der DC-Ikonen
Mit dem Absolute Universe wagt DC den großen Sprung: eine radikal neu gedachte Welt, losgelöst vom klassischen DCU. Scott Snyder und das ALL-IN-Team lassen Ikonen wie Batman, Wonder Woman und Superman in härterer, ungeschönter Form auferstehen.
Es gibt Momente in der Comic-Geschichte, die wie tektonische Verschiebungen wirken. Sie erschüttern nicht nur das Fundament einer fiktiven Welt, sondern definieren neu, was Fans von ihren Helden erwarten dürfen. Der Start des Absolute Universe gehört zweifellos zu diesen Momenten. DC wagt hier keinen sanften Soft-Reboot, keine Kurskorrektur innerhalb des Multiversums, sondern zieht eine klare, radikale Linie: eine neue Kontinuität, gänzlich losgelöst vom bisherigen DC Universe. Alles, was wir über Batman, Superman, Wonder Woman und ihre Weggefährten zu wissen glaubten, wird in seine Einzelteile zerlegt – und neu zusammengesetzt. Herausgekommen ist ein mutiges, düsteres und zugleich elektrisierendes Experiment, das bereits jetzt spürbar macht: Hier entsteht etwas von gewaltiger Tragweite.
Der Auftakt erfolgte mit dem DC ALL-IN SPECIAL, das in den USA bereits im Oktober 2024 veröffentlicht wurde und hierzulande am 1. Juli 2025 erschien. Scott Snyder, der kreative Kopf hinter dem Projekt, entwirft darin eine Welt, die von der Energie Darkseids durchdrungen ist. Eine Welt, die nicht nur von äußeren Bedrohungen geformt wird, sondern in ihrem Kern aus Unruhe, Konflikt und zerrissener Identität besteht. Der vielleicht radikalste Kniff: Darkseid kontrolliert Vergangenheit und Zukunft zugleich, während sich die Zeitlinie mühsam konsolidiert. Vergangenheit, Herkunft, Erbe – alles ist brüchig geworden, verschoben, neu zu deuten.
Und genau hier zeigt sich der Mut der Macher. Statt die alten Pfade zu beschreiten, werden ikonische Charaktere auf ihre Essenz reduziert – auf das, was sie im Innersten ausmacht. Bruce Wayne bleibt ein Getriebener, Diana eine Kriegerin, Clark Kent ein Außenseiter. Aber ihre Privilegien, ihre schützenden Umgebungen, ihre wohlwollenden Mentoren? All das fällt weg. Der Reichtum der Waynes, die Kindheit Dianas auf Themyscira, die moralische Erziehung Clarks bei den Kents – verschwunden. Was bleibt, ist der Mensch hinter der Maske, entblößt, verletzlich, gezwungen, seine Größe aus Widrigkeiten zu gewinnen, nicht aus Geschenken.
Ein Paradebeispiel dafür liefert ABSOLUTE BATMAN. Schon der erste Band sorgte für Aufsehen: Hier ist Bruce Wayne kein eleganter Milliardär mit Gadgets, sondern ein brutaler Held der Arbeiterklasse. Er trägt seine Wut, seine Verzweiflung, seine Muskeln in die Schlacht gegen die Party-Animal-Gang, eine überzeichnete, aber zugleich beängstigende Bedrohung für Gotham City. Dieses Gotham ist keine gotische Kulisse mehr, sondern eine zermürbte, industrielle Hölle, in der Gewalt zum Alltag gehört. Mit der gerade erschienenen Fortsetzung, ABSOLUTE BATMAN 2 wird nun auch endlich die brennende Frage beantwortet: Wie wurde Bruce hier zu Batman? Die Antwort überrascht, denn sie verbindet rohe Körperlichkeit mit einer psychologischen Tiefe, die man so selten gesehen hat. Hier wird deutlich: Das Absolute Universe ist kein Zirkus, es ist ein Schlachtfeld.
Titel: ABSOLUTE BATMAN 2
Autor: Scott Snyder
Zeichner: Gabriel Hernandez Walta, Nick Dragotta
Verlag: Panini
Seiten: 72
Bereits erschienen
Mindestens ebenso faszinierend ist ABSOLUTE WONDER WOMAN. Die Serie, die bereits mehrfach mit Eisner Awards (Best Writer, Best Coloring, Best Lettering) ausgezeichnet wurde, bricht mit allem, was wir bisher über Diana wussten. Keine Insel der Amazonen, keine Kindheit unter Kriegerinnen, keine wohlmeinende Mutter. Stattdessen: ein Kleinkind, verbannt von Zeus höchstpersönlich und in die Hölle geschickt. Schon früh muss Diana gegen die grotesken Kreaturen der Unterwelt kämpfen, und aus dieser Kindheit voller Schrecken entsteht eine Heldin, deren Stärke nicht mythisch gegeben, sondern erkämpft ist. Dass diese Interpretation preisgekrönt ist, wundert nicht: Sie ist brutal, poetisch und zugleich erschütternd konsequent.
ABSOLUTE WONDER WOMAN 1
Autor: Kelly Thompson
Zeichner: Hayden Sherman
Verlag: Panini
Seiten: 96
Bereits erschienen
Auch Superman bleibt nicht unversehrt. ABSOLUTE SUPERMAN erzählt von einem Mann, der nie die moralische Erdung durch die Kents erhielt. Clark Kent, der in dieser Welt gar kein Kent ist, trägt keine kindlich-naive Hoffnung in sich. Er ist ein Fremder auf der Erde, der dennoch beschließt, gegen die Finsternis zu kämpfen. Doch seine Gegner sind ungleich härter: die Lazarus Corp, angeführt von einer skrupellosen Lois Lane, die als Top-Agentin ein faszinierendes Gegengewicht bildet. Der erste Band war bereits ein Schlag in die Magengrube, bei dem man gespannt sein darf, was uns im bald erscheinenden zweiten Teil erwartet.
Es gibt viele Reboots, Relaunches, alternative Zeitlinien in der langen Geschichte von DC. Doch das ABSOLUTE UNIVERSE hebt sich ab. Es ist kompromisslos, es ist brutal ehrlich, und es zwingt uns, unsere Helden neu zu betrachten. Was es so packend macht, ist seine konsequente Tragik. Niemand hier ist unantastbar. Die Helden sind verwundet, die Welt selbst ist ein Gegner. Und doch lodert in all dem Elend ein Funken, der diese Geschichten unwiderstehlich macht. Es ist der Funken der Wiedererkennung. Denn trotz aller Entbehrungen, trotz aller Umdeutungen, erkennen wir sie: den unbeugsamen Bruce, die kämpferische Diana, den fremden Clark. Sie sind neu, aber sie sind noch immer sie selbst – nur ohne Netz und doppelten Boden.
Dass Snyder und sein Team auch den Blick auf die zweite Reihe werfen, macht das Projekt noch aufregender. Namen wie Flash, Green Lantern oder Green Arrow stehen bereits in den Startlöchern. Selbst der Martian Manhunter soll in einer limitierten Serie seine Reinkarnation erleben.
FLORIAN TRITSCH
ABSOLUTE SUPERMAN 2
Autor: Jason Aaron
Zeichner: Carmine Di Giandomenico, Rafa Sandoval
Verlag: Panini
Seiten: 72
Erscheint am 11. November