Zum Hauptinhalt springen

30. Oktober 2025

Der Wald schlägt zurück

Titel:  BAMBI: THE RECKONING

Land/Jahr: USA 2025

Label: PLAION PICTURES

FSK & Laufzeit: ab  16, ca. 81 Min.

Bereits erschienen

Wenn das Reh zum Rächer wird: BAMBI: THE RECKONING verwandelt die Unschuld der Kindheit in blutiges Chaos. Mit Herz, Humor und Horror slasht der neueste Beitrag des Twisted Childhood Universe mit scharfen Zähnen zurück.

Im Dezember 1922, pünktlich zu Weihnachten, veröffentlichte der österreichische Schriftsteller Felix Salten seinen Roman „Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde“. Das junge Rehkitz wächst inmitten der Wälder auf, lernt das Leben, die Schönheit der Natur und ihre Gefahren kennen, vor allem den Menschen. Es ist eine stille, ernste Erzählung über Angst, Verlust und Erwachsenwerden.

 

Anfang der 1940er Jahre sicherte sich schließlich Disney die Filmrechte und verpackte Saltens Geschichte in Zuckerwatte. Unter der Regie von David Hand entstand ein filmisches Meisterwerk, das sich allerdings zahlreiche Freiheiten gegenüber der Vorlage nahm – unter anderem wurde der gesamte Handlungsstrang um Gobo, Bambis im religiösen Wahn gefangenen Freund, der später stirbt, gestrichen, ebenso wie das düstere Finale. Dafür war Disneys „Bambi“ technisch brillant, emotional gewaltig und gilt heute zu Recht als eines der ganz großen Meisterwerke der Zeichentrickgeschichte.

 

Doch wo die Tränen über Bambis Mutter in Hands Animationsklassiker früher noch in Taschentüchern landeten, spritzen sie nun auf den Waldboden. Mit BAMBI: THE RECKONING entreißt Regisseur Dan Allen dem Werk seine Unschuld. Als Teil des Twisted Childhood Universe präsentiert er einen Film, der weniger Parodie als blutgetränkter Kommentar ist. Was, wenn Natur wirklich zurückschlägt? Was, wenn Bambi das Feuer der Menschen mit Zähnen, Klauen und Wut beantwortet?

 

Die Handlung nimmt diese Idee beim Wort. Nachdem der junge Hirsch die Ermordung seiner Mutter mitansehen muss, verändert sich etwas in ihm. Als Jahre später auch seine Gefährtin Faline bei einem Unfall stirbt, verliert Bambi endgültig den Halt. In einem verzweifelten Moment trinkt er von einem Bach, verseucht mit Industrieabfällen – und verwandelt sich in ein wucherndes Albtraumwesen. Eine Art Toxic Avenger des Waldes, halb Reh, halb Rachephantom. Fortan streift er durch die Dunkelheit, um jene zur Strecke zu bringen, die ihm alles genommen haben.

 

Inmitten dieses Chaos geraten Xana (Roxanne McKee) und ihr Sohn Benji (Tom Mulheron) auf dem Weg zu Xanas Mutter (Nicola Wright) in Bambis Jagdgebiet. Eine Gruppe schwer bewaffneter Jäger versucht sie zu retten – doch der Wald gehört längst nicht mehr ihnen. Und als Bambis alter Freund Klopfer ebenfalls vom verseuchten Wasser trinkt, kippt der letzte Rest Kindheit endgültig ins Absurde.

 

Allen inszeniert diesen Rachefeldzug mit erstaunlicher Konsequenz. Zwischen humorvollem Zitatkino und ehrlichem Horror schafft er eine Atmosphäre, die an frühe britische Monsterfilme erinnert – nur dass hier ein wütendes Reh durch die Bäume bricht.

 

Was diesen Film so überraschend macht, ist seine Haltung. Natürlich: BAMBI: THE RECKONING ist in gewissen Maße Trash. Aber es ist bewusster, fast schon eleganter Trash – getragen von einer Idee, die tiefer geht, als man ihr zutraut. Der Film spielt mit unserer Erinnerung, mit den Resten jener Disney-Moral, die einst das Leid der Tiere in Lieder verwandelte. Stattdessen knacken Knochen im Unterholz, und ein einst vertrauter Blick lodert vor Schmerz.

 

Die Morde sind grotesk, aber erfindungsreich – mit einer fast künstlerischen Freude am Übermaß. Ein Teenager stürzt in eine Fallgrube voller Kot; eine andere Szene parodiert „Scream“, nur um in einem grandiosen Splitscreen-Moment in puren Splatter zu kippen.

 

BAMBI: THE RECKONING ist pures Vergnügen für Horrorfans – auch für jene, die das Twisted Childhood Universe bislang nur vom Hörensagen kennen. Der Film nimmt seine absurde Idee ernst genug, um wirklich zu funktionieren, und leicht genug, um nie ins Lächerliche zu kippen. Zwischen Blut, schwarzem Humor und erstaunlich stimmigen Bildern gelingt Dan Allen ein wilder Balanceakt: ein Reh-Slasherfilm mit Seele.

 

FLORIAN TRITSCH

 


Das Marvel-Prinzip – nur eben mit deutlich mehr Gedärmen

 

Als 2022 die Urheberrechte an A. A. Milnes „Pu der Bär“ ausliefen, öffnete sich die Büchse der Pandora: Aus dem honigliebenden Kuschelbären wurde ein mordendes Monster. Den Auftakt lieferten WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY 1 & 2, herrlich absurde Splatter-Grotesken, die den friedlichen Hundert-Morgen-Wald in ein Schlachtfeld verwandeln. Die Filme waren erfolgreich, und das Twisted Childhood Universe war geboren, in dem Frake-Waterfield anderen Filmemacher die Chance gab, Kindheitshelden neu zu interpretieren.

In PETER PAN’S NEVERLAND NIGHTMARE verwandelt Regisseur Scott Chambers die Kindheitsikone in einen messerschwingenden Psychopathen, dessen Neverland ein abgefucktes Crackhaus ist.

Und auch BAMBI: THE RECKONING ist noch lange nicht das Finale. Ganz im Gegenteil: Das TCU ist als Shared Universe angelegt – eine lose miteinander verknüpfte Filmwelt, in der jede Figur ihre eigene Bühne bekommt, bevor es zum großen Showdown kommt. Als Nächstes dürfen sich Fans auf PINOCCHIO UNSTRUNG (mit unter anderem Horror-Ikone Robert Englund!) freuen, in dem die hölzerne Puppe zum entfesselten Psychopathen mutiert.