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30. Oktober 2025

Alle Wege führen zu einem Haus

Titel: WEAPONS – DIE STUNDE DES VERSCHWINDENS

Land/Jahr: USA 2025
Label: Warner Bros.

FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 129 Min.
Erscheint am 30. Oktober

Mit WEAPONS – DIE STUNDE DES VERSCHWINDENS liefert Zach Cregger einen atemlosen Schreckenstrip, der sich tief unter die Haut gräbt. Horrorfans sollten hier nicht lange überlegen.

Mit dem  clever-kompromisslosen „Barbarian“ überraschte Zach Cregger 2022 die Horrorgemeinde enorm, und schnell war er eine der kommenden Genre-Hoffnungen. Doch statt nachzulegen wurde es nahezu still um den Filmemacher, der sich lediglich als Co-Produzent von „Companion – Die perfekte Begleitung“ in Erinnerung brachte. Doch nun kehrt Cregger zurück – nicht leise, sondern mit einem Donnerschlag.

 

WEAPONS – DIE STUNDE DES VERSCHWINDENS ist kein gewöhnlicher Horrorfilm. Es ist ein vielschichtiges Psychopuzzle, das mit albtraumhafter Konsequenz zeigt, was Angst auszulösen fähig ist. Der Schauplatz ist Maybrook, eine Kleinstadt in Pennsylvania. Hier verschwinden eines Nachts 17 Kinder der dritten Klasse von Lehrerin Justine Gandy (Julia Garner) spurlos. Auf Überwachungskameras ist zu sehen, wie die Kinder mitten in der Nacht aufstehen, ihre Häuser verlassen – und freiwillig in die Dunkelheit hinaustreten. Der Schock sitzt tief, die Stadt erstarrt – und bald steht Justine selbst im Zentrum der Ermittlungen. Schulleiter Marcus Miller (Benedict Wong) suspendiert sie vorläufig, während die Gerüchteküche brodelt.

 

Doch Justine beginnt, auf eigene Faust nachzuforschen, und stößt auf den einzigen Schüler, der nicht verschwunden ist: Alex (Cary Christopher). Ihre Such nach ihm führt sie zu einem Ort, der noch düsterer ist als ihre schlimmsten Vorstellungen. In Alex’ Elternhaus sind alle Fenster mit Zeitungspapier verklebt, die Luft steht still, und seine Eltern sitzen bewegungslos im Wohnzimmer – wie eingefroren. Es ist eine Szene, die man so schnell nicht vergisst, und Cregger inszeniert sie mit jener kalten Präzision, die schon „Barbarian“ ausgezeichnet hat.

 

Doch Justine ist nicht die Einzige, die Nachforschungen anstellt. Auch Archer Graff (Josh Brolin), ein Vater, der sein verschwundenes Kind verzweifelt sucht, macht sich auf Spurensuche. Als Archer die Überwachungsvideos anderer Eltern zusammenträgt, erkennt er ein Muster: Alle Kinder liefen in dieselbe Richtung – zum Haus von Alex. Und dann ist da noch James (Austin Abrams), ein Obdachloser, der in eben dieses Haus einbricht – in der Hoffnung auf Bargeld, doch stattdessen stößt er auf ein Geheimnis, das den Film in eine völlig neue Dimension katapultiert.

 

Cregger versteht es meisterhaft, Perspektiven zu verschränken und dabei eine Struktur zu erschaffen, die ebenso klaustrophobisch wie faszinierend ist. Das Finale – ohne zu viel zu verraten – ist ebenso schockierend wie folgerichtig. Es schließt den Kreis auf eine Weise, die noch lange nachhallt. Cregger beweist, dass moderner Horror mehr kann als Schockeffekte: Er kann Fragen stellen, die uns an die Wurzel unserer Ängste führen.

 

WEAPONS – DIE STUNDE DES VERSCHWINDENS entfaltet sich wie ein düsterer Sog. Nichts bleibt oberflächlich, kein Detail ist Zufall. Cregger nutzt die vertraute Kulisse der amerikanischen Kleinstadt, um darunter ein Netz aus Schuld, Paranoia und metaphysischem Grauen zu spannen. Es ist ein Film, der sich anfühlt, als hätte Stephen King den Plot geschrieben.

 

 

Die Kameraarbeit von Larkin Seiple (bereits für „Everything Everywhere All At Once“ gefeiert) ist grandios: lange Einstellungen, fließende Bewegungen, Licht und Schatten in permanenter Spannung. Jede Einstellung atmet Bedeutung. Dazu kommt ein Sounddesign, das mehr ist als bloße Untermalung – es ist der Herzschlag des Films. Der Score zieht die Nerven zum Zerreißen an, bevor er sie im nächsten Moment wieder loslässt, nur um sie gleich darauf erneut zu greifen.

 

Julia Garner, die zuletzt unter anderem als Silver Surfer in „The Fantastic Four: First Steps“ zu sehen war, trägt den Film fast im Alleingang. Ihre Justine ist keine typische Horrorheldin, sondern eine komplexe, verletzliche Frau, die zwischen Trinksucht und Entschlossenheit taumelt. Garner spielt mit leisen Nuancen, mit Blicken und Atemzügen, die mehr sagen, als Dialoge je könnten. An ihrer Seite liefert Benedict Wong eine gewohnt starke Performance – ruhig, aber voller Gewicht. Josh Brolin wiederum spielt mit jener müden Intensität, die ihn zu einem der verlässlichsten Schauspieler Hollywoods macht.

 

WEAPONS – DIE STUNDE DES VERSCHWINDENS ist Kino, das man nicht vergisst. Ein Werk, das den Zuschauer in die Dunkelheit zieht – und ihn verändert wieder hinauslässt. Zach Cregger hat endgültig bewiesen, dass „Barbarian“ kein Glückstreffer war, sondern das Vorspiel zu etwas Größerem. Ein hypnotischer, unheimlich schöner Albtraum.

 

Florian Tritsch