Hallo Demon Raise und vielen Dank, dass du dir die Zeit für ein Interview nimmst! Gehen wir es doch gleich einmal an: „Missa Pro Defunctis“ ist vor einem knappen Jahr (August 2019) via Iron Bonehead erschienen und war so etwas wie ein kleines Comeback-Album für Euch. Wie zufrieden warst du/wart ihr denn mit der Aufmerksamkeit der Szene und der Fans, was diese Scheibe betroffen hat?
Im Großen und Ganzen waren wir doch ganz zufrieden. Man muss bedenken, dass wir bis dahin fast sechs Jahre lang nicht mehr so stark in die Szene involviert waren wie zum Beispiel noch 2010. Dadurch war es mir schon klar, dass die Rückkehr fast wie ein Neuanfang sein wird. Und bei der Masse an Bands, die es mittlerweile gibt, ist es umso schwerer, aus der Menge herauszustechen. Aber es ist zum Glück nicht so, dass das Album keinen interessiert hat. Somit konnten wir doch einige Interviews geben und der Großteil der Reviews ist auch gut bis sehr gut ausgefallen. Desweitern haben wir in Japan durch Hidden Marly Productions einen absoluten Unterstützer, welcher dort unsere Alben vertreibt. Dass es in Zukunft nicht gerade leichter werden wird, ist mir vollkommen bewusst. Aber ich denke da zählt nur eins: Gitarren hoch und vorwärts. Wichtig ist für uns wieder ein Teil der Szene zu sein, speziell der Deutschen, und zum Erhalt dieser beizutragen.
„Missa Pro Defunctis“ habt Ihr ja zu zwei aufgenommen, wobei ein gewisser Herr S.R. für die Drums verantwortlich zeichnet. Was steckt denn hinter dem Pseudonym? Darf das verraten werden? Oder wenn nicht, dann trotzdem die Frage: Wie stark hat er auf die Songs noch Einfluss genommen? Hat er „nur“ die Lines eingespielt oder da auch noch herumgewerkelt und seine Kreativität in die Arrangements eingebracht?
S.R. ist ein guter alter Bekannter, welcher uns geholfen hat, das Album in die Realität zu bringen. Doch hat er nur die Drums eingeknüppelt, am Entstehen der Songs war er nicht beteiligt. Hier und da hat er nun schon ein paar kleine Akzente gesetzt, aber den Großteil hat er so umgesetzt, wie wir uns das vorgestellt haben.
Musikalisch ist bei „Missa Pro Defunctis“ besonders gelungen, dass die Stimmung der frühen 90er-Jahre in Deutschland, was den Black Metal betrifft, stilsicher in das Jahr 2019 getragen wurde. Sprich: Das Album hört sich weder anachronistisch noch altbacken an, gleichzeitig aber auch nicht modern. Was für eine musikalische Vision hattest du/hattet ihr im Kopf, als ihr euch an die Songs zu „Missa Pro Defunctis“ gesetzt habt? Kann man dieses in ein paar Eigenschaftsworten beschreiben?
Da meine Wurzeln Ende der 80er, Anfang der 90er liegen, war es für mich wichtig, diesen Zeitgeist einzufangen und in musikalischer Form wiederzugeben. Ich verehre diese Zeit nach wie vor. Für mich sind da einfach die besten Alben entstanden. Ich denke dadurch haben viele unserer Songs einen Touch aus dieser Zeit. Das Album sollte eine gesunde Abwechslung haben, der Sound sollte kalt wirken und es sollte ein Konzeptalbum werden. Dies waren so die Gedanken, welche mir sehr am Herzen lagen.
Auch lyrisch konzentriert ihr euch, so zumindest mein Verständnis, auf eine recht klassische Auslegung des Satanismus, nämlich darauf, dass der Mensch zu „Gott“ werden und sich von seinen Ketten befreien soll. Gleichzeitig spielt ihr auch viel mit typischen Metaphern und Analogien der frühen (atmosphärischen) Black-Metal-Szene. Und natürlich spielt das Thema des „Todes“ eine zentrale Rolle auf dem Album. Wie entsteht ein typischer Songtext bei euch? Folgt er auf die Musik? Und geht es mehr darum, dass der Text atmosphärisch dazu passt oder ist es euch durchaus wichtig, eine klare Botschaft zu vertreten?
Bei den meisten Songs entsteht der Text auf die Musik. Damit habe ich mehr Spielraum, den Text effektiver auf den Song anzupassen. Auf „Missa Pro Defunctis“ habe ich da besonders viel Wert darauf gelegt. Es sollte von Anfang an ein Konzeptalbum über das Thema „Tod“ werden. Als die Songs grob fertig waren, habe ich Schritt für Schritt die Texte für den jeweiligen Song ausgewählt. Meine Texte enthalten keine Botschaften. Ich sehe mich nicht als Moralapostel oder Prediger, der anderen vorschreiben will, was sie zu tun und zu lassen haben. Vielmehr sind diese eine Reise in eine emotional dunkle Welt. Sie dienen der Unterhaltung, was ja nun ein Bestandteil der Musikwelt ist.
Die Vocals für REIGN IN BLOOD sind ja doch einzigartig und auch ein Trademark von dir/der Band. Tust du irgendetwas um Deine Stimme zu entwickeln beziehungsweise um sie zu trainieren? Oder kriegst du das einfach so her, wenn Du im Studio stehst?
Ein Großteil der Vocals entsteht während der Aufnahmen. Ich arbeite vorher lediglich eine Hilfsspur aus, um zu hören, wie der Gesang wirkt. Was die Stimmvariationen betrifft, habe ich das Glück, diese mehr oder weniger abrufen zu können. King Diamond ist da mein großes Vorbild und hat mich oft inspiriert, verschiedene Gesänge zu kreieren.
Das Cover-Artwork für „Missa Pro Defunctis“ wurde ja auch im Buch „Masterpieces“ als eines der 100 besten Cover-Artwork des Jahres 2019 ausgezeichnet. Erzählt doch einmal, wie es zu diesem Kunstwerk kam. Die Figur selbst stellt ja den Großen Vater Tod dar und erschaffen wurde es von Alex von Nether Temple Design, aber welche Info habt ihr ihm gegeben, was er zeichnen soll? Und inwiefern, denkst du, fasst das Cover die Botschaft oder die Atmosphäre des Albums zusammen?
Genau, Gevatter Tod wurde auf dem Cover dargestellt, aber mal in einer anderen Form, nicht wie herkömmlich mit Sense und Knochenkörper. Er zelebriert die „Missa Pro Defunctis“. Das Schicksal hat mich zu diesem Cover geführt. Alex von Nether Temple Designs war gerade dabei, unseren neuen Schriftzug zu gestalten, wodurch wir öfters in Kontakt waren. Nachdem wir noch einige Details zum Logo geklärt hatten, habe ich mir seine Webseiten angeschaut, wo auch viele Bilder zu sehen waren, die zum Verkauf standen. Während ich mir alle so anschaute, schoss mir sofort jenes Bild, das dann unser Cover wurde, ins Auge. Ich war wie weggeblasen, als ich es gesehen hatte. Es hatte irgendwie alles, einfach spektakulär. Für mich steht es in perfektem Einklang zur Musik und den Texten. Eine düstere Atmosphäre, welche ich erreichen wollte, rundet das Cover perfekt ab. Irgendwie hat es eine sehr starke Anziehungskraft, ich fühle mich tief verbunden mit diesem Bild.
Dieses Interview ist ja auch zustande gekommen, weil ich ein Foto von Iskariot (zweiter Sänger und Keyboarder) von Dunkelgrafen auf dem Under-The-Black-Sun-Festival gepostet habe. Wie sieht es bezüglich Live-Shows mit REIGN IN BLOOD aus? Könnt ihr euch vorstellen, mit ein paar Live-Musikern die Bühnen wieder unsicher zu machen, sobald Covid-19 vorbei ist?
Mit REIGN IN BLOOD wird es weiterhin keine Konzerte geben. Uns fehlt da einfach die Zeit, sich ausgiebig auf Konzerte vorzubereiten. Dann bräuchten wir außerdem erstmal noch Gastmusiker, welche dazu bereit wären. Aber mal sehen, was die Zukunft bringt, vielleicht lässt sich später mal was realisieren.
Apropos Covid-19: Was hatte das für Auswirkungen auf euch als Band und Musiker? Am 27. April habt ihr gepostet, dass ihr nun wieder zurück im Proberaum seid, um neue Songs zu schreiben. Hat euch die Isolation und der Lockdown eher kreativ beflügelt?
Für uns hatte Covid-19 als Musiker nicht so dramatische Auswirkungen. Wir proben nicht in regelmäßigen Abständen, von daher konnten wir die Zeit gut überbrücken und jeder arbeitete für sich daheim. Das mich Covid-19 in irgendeiner Form beflügelt hat, nein, das ist definitiv nicht der Fall. Ich bin froh, dass dieses Drama wenigstens etwas abgeflacht ist und man fast seinem geregelten Alltag wieder nachgehen kann.
Wie erlebst Du diese Pandemie überhaupt im Kontext der deutschen Metal- und Black-Metal-Szene? Ihr seid ja doch noch recht stark eingebunden in gewisse lokale und regionale Kreise, was ich so sehe, wenn ich euren Facebook-Account et cetera anschaue. Wie ist die Stimmung? Was glaubt man, wird die Zukunft bringen? Und wie können wir weiter tun?
Wie überall gab es bei uns auch eine Flut von abgesagten Konzerten. Dass viele darüber nicht glücklich waren, ist ja klar. Weder Veranstalter, Besucher noch die Bands selbst. Es ist eine Situation, die ich nie für möglich gehalten hätte. Oft habe ich gedacht, dass das doch nur ein schlechter Traum sein könne, ich doch bald aufwachen müsse und dann alles wieder normal sein werde. Aber wie es scheint, wird uns dieses Thema noch länger beschäftigen. Die Stimmung innerhalb der Szene, soweit ich das beurteilen, kann ist dennoch sehr entspannt. Man trifft sich jetzt eben mehr privat, spricht dort über Musik, trinkt ein paar Bierchen und huldigt den Göttern des Metal. Und die Zukunft, ja, die ist ein großes Fragezeichen. Ich bin da doch optimistisch, dass sich in absehbarer Zeit alles wieder normalisiert, dass die Bands wieder die Möglichkeit haben, live zu spielen und dass der Besucher endlich wieder rauskommt, um Leute zu treffen sowie Konzerte zu erleben. Die Szene ist weiterhin stark genug. Ich kann nur sagen: Bleibt in Kontakt, Leute, trefft Euch soweit es möglich ist, um den Spirit zu erhalten, und der Rest wird sich fügen. Stay evil, stay hard, believe in metal! Cheers!
Letzte Frage: Was für Bücher liegen momentan auf Deinem Nachtkästchen?
Das ist „Let the good times roll!“ von Horst Fascher, dem Gründer des legendären Starclub in Hamburg.