Im Jahr 2022 liefen die Urheberrechte an Alan Alexander Milnes „Pu der Bär“ aus – ein scheinbar harmloses, juristisches Detail, das allerdings ein ganzes Horror-Universum ins Rollen brachte. Seitdem darf jeder den „Bären von geringem Verstand“ frei verwenden – auch als mordendes Monster. Regisseur Rhys Frake-Waterfield erkannte das Potenzial des gemeinfreien Materials sofort und gründete das Poohniverse: eine rabenschwarze Parallelwelt, in der die einst kindlich-liebevollen Figuren zu entstellten Killern mutiert sind. Aus dem Hundert-Morgen-Wald wurde ein Schlachtfeld.
Mit den beiden Filmen WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY 1 & 2 nahm das Projekt seinen Anfang – doch das war erst der Auftakt. Unter dem Label Twisted Childhood Universe (TCU) plant die britische Produktionsfirma Jagged Edge Productions nun eine ganze Reihe weiterer Horror-Schocker, in denen klassische Kinderbuchfiguren ihr Unwesen treiben. Peter Pan als sadistischer Entführer? Pinocchio als blutgieriger Psychopath? All das ist Teil der Vision. Die Prämisse ist ebenso simpel wie effektiv: Geschichten aus der Kindheit werden in albtraumhafte Splatter-Trips verwandelt – trashig, brutal, verstörend.
Pünktlich zum Heimkino-Start von PETER PAN’S NEVERLAND NIGHTMARE werfen wir einen Blick auf das wachsende Poohniverse – eine Welt zwischen Trash-Faszination, düsterem Kult und echtem Unbehagen.
Am Anfang stand ein Internet-Hype
Dabei begann WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY erst mal wunderbar friedlich: Christopher Robin besucht gern im Hundert-Morgen-Wald seine tierisch-menschlichen Freunde. Diese sind das kleine Ferkel, der honigverrückte Pooh-Bär, der trantütige Esel I-Aah. Friede. Freude. Eierkuchen. Ganz viel Liebe. Das Leben ist so großartig.
Dumm nur, dass aus Kindern zuerst Jugendliche, später Erwachsene werden. Das Interesse schwindet. Und irgendwann kehrt Christopher Robin, trotz anders lautender Versprechen, nicht mehr zurück. Zurück bleiben Wesen, die ihn liebten. Wesen, die ihn brauchten. Doch der Winter ist gnadenlos, der Hunger erbarmungslos. I-Aah stirbt als Erstes – verspeist von seinen Kameraden. Aus Spielgefährten werden Raubtiere.
Pooh und Ferkel sind nicht mehr die sanften Gesellen vergangener Tage. Sie haben sich verändert – monströs, still, tödlich. Ihre Seelen vernarbt, ihre Herzen gefüllt mit Rachedurst. Der Wald ist nun Jagdrevier. Und jeder Mensch, der ihn betritt, zahlt den Preis für ein gebrochenes Versprechen. Auch Christopher Robin, der mit seiner Verlobten Maria die alten Freunde aufsuchen will, steht ganz oben auf ihrer Liste.
Als im Mai 2022 erste Bilder veröffentlicht wurden, explodierte das Internet: WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY wurde zum viralen Phänomen. Zwischen Faszination und Fassungslosigkeit entstand das sogenannte Poohniverse – ein Ort, an dem Nostalgie stirbt und Albträume beginnen.
Der zweite Film sprengte die Ketten
Kaum war WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY erschienen, kündigte Regisseur Rhys Frake-Waterfield bereits die Fortsetzung an. Und tatsächlich ließ Teil zwei nicht lange auf sich warten. Mit einem spürbar höheren Budget, verbesserten Effekten und einer ausgefeilteren Inszenierung legt BLOOD AND HONEY II in jeder Hinsicht eine Schippe drauf – und beweist, dass aus einem Internet-Meme durchaus ein waschechtes Horror-Franchise entstehen kann.
Im Mittelpunkt steht erneut Christopher Robin, der inzwischen als Arzt in einem Krankenhaus nahe des berüchtigten Hundert-Morgen-Waldes arbeitet. Der Wald selbst wurde nach den grausamen Vorfällen des ersten Films zur Sperrzone erklärt – eine düstere Legende, ein Ort, den man besser meidet. Doch wie das so ist: Nicht alle halten sich daran. Besonders nicht eine dreiköpfige Truppe selbst ernannter Rednecks, die die Sache für einen PR-Gag hält. Sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, den „Horror-Bären“ und seine monströsen Freunde ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.
Ein fataler Fehler. Denn diesmal sind Pooh und Ferkel nicht allein. Auch Tigger und Eule haben sich ihrer blutigen Mission angeschlossen. Gemeinsam bilden sie eine unaufhaltsame Todescombo, deren Ziel klar ist: Rache. Und wie schon im ersten Teil lässt der Film keine Zweifel daran, dass es hier nicht um subtilen Grusel geht, sondern um brutalen, expliziten Terror. Was folgt, erinnert stellenweise an kompromisslose Torture-Porn-Streifen wie „Hostel“, „Martyrs“ oder „Frontiers“. Verstümmelung, Sadismus, Entmenschlichung – Frake-Waterfield hält nicht hinterm Berg.
Die Gewalt ist drastisch, oft schmerzhaft anzusehen, manchmal bewusst überzogen. Wer bereits mit den blutgetränkten Bildern der „Halloween“-Remakes von Rob Zombie seine Mühe hatte, wird auch hier an die Grenzen des Ertragbaren stoßen. Und doch: Die treibende Musik, die wuchtige Kameraarbeit und der präzise Schnitt verleihen dem Gemetzel eine beängstigende Dynamik. Mittendrin: Christopher Robin, ein gebrochener Mann. Gezeichnet von seiner Vergangenheit, leidet er unter schweren psychischen Traumata. Er geht zur Therapie, versucht, seine Erlebnisse zu verarbeiten – doch das Böse ruht nicht. Als Pooh, Ferkel, Eule und Tigger den Wald verlassen und sich auf den Weg in die Stadt machen, beginnt ein blutiger Feldzug gegen die Menschheit.
Gleichzeitig öffnet WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY II erstmals ein düsteres Kapitel in der Vergangenheit der Killerkreaturen – und liefert damit eine groteske Origin-Story, die den Horror auf eine neue Ebene hebt. Denn Pooh, Ferkel und Co. waren nicht immer Monster. In Rückblenden erfahren wir, dass sie einst selbst Kinder waren, entführt von einem wahnsinnigen Wissenschaftler, der sie für grausame Experimente missbrauchte. In einem abgelegenen Labor kreuzte er ihre DNA mit der von Tieren – ein entmenschlichendes Projekt, das körperliche wie seelische Narben hinterließ.
Noch lange nicht das Ende
Auch PETER PAN’S NEVERLAND NIGHTMARE ist noch lange nicht das Finale. Ganz im Gegenteil: Das Poohniverse ist als Shared Universe angelegt – also als lose miteinander verknüpfte Filmwelt, in der jede Figur zunächst ihre eigene Bühne bekommt, bevor es zum großen Showdown kommt. Das Marvel-Prinzip, nur eben mit mehr Gedärmen.
Schon jetzt angekündigt sind weitere Einzelfilme wie BAMBI: THE RECKONING, in dem der kleine Hirsch aus dem Disney-Klassiker zum rachsüchtigen Killer wird – eine Art blutiger Tierhorror mit Kindheitstrauma-Bonus. Oder PINOCCHIO UNSTRUNG (mit unter anderem Horror-Ikone Robert Englund), in dem die hölzerne Puppe zum entfesselten Psychopathen mutiert.
Und wie es sich für ein echtes Shared Universe gehört, steuert alles auf ein filmisches Crossover hin: POOHNIVERSE: MONSTERS ASSEMBLE. Ein Titel, der nicht nur augenzwinkernd auf das Marvel-Vorbild anspielt, sondern auch klarmacht, worum es hier geht: Die Kindheitsmonster kommen zusammen – nicht für eine Rettungsmission, sondern für ein Massaker.
Florian Tritsch
Titel: WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY
Land/Jahr: USA 2023
Label: PLAION PICTURES
FSK & Laufzeit: ab 18, ca. 84 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
Titel: WINNIE THE POOH: BLOOD AND HONEY 2
Land/Jahr: USA 2024
Label: PLAION PICTURES
FSK & Laufzeit: ab 18, ca. 93 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht