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Aber der Reihe nach: Das altehrwürdige Conne Island im Leipziger Süden erlebt 2016 seinen 25. Geburtstag. Dem Anlass entsprechend wird gefeiert; ein Jahr lang. Um nur eine Sache herauszuheben: Im März stand mit Sick Of It All eine Band auf der Bühne, die hier bereits 1994 einen legendären Auftritt hatte, über den die damaligen Besucher noch heute reden. Seither hat sich in Leipzig und seinem sogenannten Problemviertel Connewitz einiges verändert – im alternativen Jugend-Kulturzentrum Conne Island sieht es dagegen irgendwie immer noch so aus wie damals. Und so passt die mit Storys aus den neunziger und nuller Jahren gepflasterte Bühne auch hervorragend zu dem, was zuletzt hier darauf passieren sollte: Drone Doom aus dem Haus Southern Lord – der von den Genre-Gurus Greg Anderson und Stephen O’Malley 1998 höchstselbst gegründeten Top-Adresse in den USA.

Den Auftakt gestaltet mit BIG|BRAVE ein großartiges kanadisches Trio des Labels: (bassverstärkte) Gitarren, Schlagzeug, charismatische Sängerin. Musik irgendwo zwischen Rock, Grunge, Blues, Noise, X-irgendwas-Core – atmosphärisch dicht und immer schwer; sehr schwer. „Postapokalyptisch“ hat das ein Kollege mal genannt, und damit hat er wohl recht. Den Nerds unter uns sei noch die Information mitgegeben, dass deren 2015er-Album „Au De La“ vom Post-Rocker Efrim Menuck (GY!BE) produziert worden ist. Wer also auf geradlinig-ehrliche, dystopische Musik ohne viel Schnickschnack steht, dem seien BIG|BRAVE wärmstens ans Herz gelegt.

Nach kurzer Umbaupause, bei der O’Malley und Kollegen allesamt unter vereinzelten „Stephen, you are awesome“-Rufen handfest mit anpacken, wird es düster. Unmengen an Nebelfluid werden die kommenden knapp zweieinhalb Stunden dauernd über die Bühne und durch das Gegenlicht ins Publikum gepumpt, um damit jene Stimmung erzeugen, die es braucht, wenn SUNN O))) auftreten. Nach einem unendlich lang anmutenden Intro kommt Attila Csihar, selbstverständlich in Mönchskutte, auf die Bühne und gibt gutturale Laute von sich, dass selbst erfahrene Konzertgänger eine sich seltsam anfühlende Gänsehaut bekommen. Irgendwann treten die restlichen vier Besatzungsmitglieder des Outerspace-Raumschiffs SUNN O))) vor ihre überdimensionierte Wand aus Lautsprechern und Verstärkern. Mit dem ersten Griff in die Saiten wird auch dem Letzten im Raum schlagartig klar, warum am Einlass eine Schüssel mit Ohropax stand. Dieses Konzert ist so unglaublich laut, dass einem die Füllungen in den Zähnen schmerzhaft vibrieren. Trotz Gehörschutz – und nein, ich habe nicht die billigen Dinger – ist mein linkes Trommelfell einen Tag später immer noch taub. Es ist unfassbar, dass Leute ohne etwas in den Ohren daneben stehen können und zur Bühne lächeln. Der Rest des Publikums macht das, was man bei Drone Doom eben so macht: Die Füße am Boden festgenagelt, etwas nach vorngeneigt leicht benommen mit dem Kopf wackeln oder etwas zurückgeneigt mit aufgerissenen Augen die Arme wie Antennen Richtung Bühne strecken. Die auf der Frequenz empfangbaren Vibrationen sind so stark, dass man trotz absoluter Bewegungslosigkeit mit Schwitzen beginnt. Stellt man seine Flasche vor sich auf dem Bühnenboden ab, kommt sie stetig zurückgehüpft.

Dieses Konzert ist wirklich eine Erfahrung, die man einmal gemacht haben muss. Und so vergeht die Zeit auch wie im Flug. Nach allerhand Gitarre gen Himmel oder Artefakte gen Publikum strecken, Posauneneinlage und dem Trinken einer Flasche Wein während des Spiels erfolgt der Höhepunkt der Show, auf den alle, die schon vorab mal im Internet geschaut hatten, warten. Attila kommt mit seinem surrealem, der Freiheitsstatue im Science-Fiction ähnelnden Kostüm ans Mikrofon. An den Händen hat er Laserpointer, die an diesen „Predator“-Film aus den Neunzigern erinnern und herrlich von seinem metallenen Anzug reflektiert werden. Sprichwörtlich bis zum Umfallen gibt er sein Bestes. Leider, und das ist dann wirklich ein Wermutstropfen, bekommt das Publikum von dieser Verausgabung nur Visuelles mit. Das Mikro ist entweder zu leise oder gar nicht eingeschaltet, was vorn offenbar keiner bemerkt. Denn für Monitorboxen ist dieser Abend einfach viel zu laut.

Text und Fotos: Christian Faludi

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