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 SLAUGHTERDAY, SOUL GRINDER, ATOMWINTER und ZOMBIE RIOT @ KuFa Westbahnhof - 23.11.2024

Es ist ein ähnliches Bild wie eine Woche zuvor bei Eradicator und ihrem 20. Bandjubiläum: Das Volk, das mit Underground-Thrash und Death Metal was anfangen kann drückt sich pünktlich zum Einlass am Eingang die Nasen platt. Am Ende sind das in Braunschweig knapp 120 Leute, die aber im Laufe des Abends die Bands abfeiern, als wären sie mindestens 200.

Kay von Kernkraftritter Records, der alte Brummkreisel, wuselt wieder durch das Gemäuer und ist bestrebt, es allen so angenehm wie möglich zu machen. Getränke und Catering satt für die Künstler und Crew, im Eingangsbereich hat er Teller aufgestellt, auf denen sich Kernkraftritter Weihnachtsplätzchen türmen. Jeder darf zugreifen! Besser geht’s eigentlich nicht.

Zombie Riot Brüllwürfel II

Die Kulturfabrik ist gemächlich dabei, sich zu füllen, als ZOMBIE RIOT aus Hannover die Bühne erklettern und mit 'Autophagia' und 'Haunted Bodies' den Abend starten. Death Metal und ein wenig Grind-Geklapper, erinnert an die Napalm Death in den Neunzigern. Brüllwürfel Matthias schnauft sich durch seine Lyrics und tapert unentwegt über die Bühne, während Schlagzeuger Marko die ganze Band mit wuchtigen Schlägen vor sich hertreibt, als ob gäbe es kein Morgen mehr gäbe. Auch wenn zum Ende hin mit 'Entering The World Of Pain' oder 'Anthropophobic' ein wenig mehr Abwechslung in den Stücken hörbar ist, eher eine durchwachsene Vorstellung.

 Atomwinter Voice Of Death I

ATOMWINTER starten dann mit dem Intro und 'Ov Blood And Flesh' vom noch aktuellen Album „Sakrileg“ und der Saal füllt sich im Handumdrehen mit den anwesenden Besuchern. Den sehr organischen, teils doomigen Old-School Death Metal der Truppe aus Göttingen möchte keiner verpassen und so kommt's, wie's kommen muss: Honigkuchenpferd-Alarm bei Sänger Florian, dem das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht zu nehmen ist. Trotzdem muss der Doom Death mindestens den Anschein von Boshaftigkeit und Epik rüberbringen. So gestikuliert und growlt sich der Mann mit schlohweißen Haaren und nicht weniger dunklem Bart mit Innbrunst durch das ganze Schaffen der Band. Zur größten Freude des Publikums. Stücke wie 'Mörser', 'Ghouls Of The Pit', 'Catacombs' oder 'Iron Flesh' ziehen das Volk in ihren Bann. Nach zwei aktuellen, stark von den Leuten gefeierten Tracks, 'Catatonic Pathway' und 'Sakrileg', findet der Gig mit 'Death Doomination' und 'Purify The Spawn' sein fulminantes Ende. Das Grinsen ist inzwischen auch in den Gesichtern der restlichen Musiker angekommen. Großartiger Auftritt, der bewirkt, das nicht wenige am Merch-Stand der Band für kleines Geld neue Shirts, Schnickschnack oder Tonträger einkaufen.

Derweil ist Backstage Trommler Marko von den Zombies dabei zu beobachten, wie er sich zur Feier seines 40. Geburtstags eine komplette Flasche irgendwas durchsichtig-hochprozentiges in den Kopf zwirbelt. Es ist abzusehen, das Resultat der Betankung dürfte verheerend werden.

Soul Grinder From Above I

Aus Bremen stammt die nächste Todesblei-Dampfwalze, die sich anschickt, die Herzen in der Fremde für sich zu gewinnen. Als SOUL GRINDER jedoch mit 'Anthems From The Abyss', 'From The Nether Realm' und 'Supreme Enemy' wuchtig, kantig mit mächtigen Riffs und tiefen Bass-Läufen in den Set einsteigen, steht Braunschweig erstmal beinahe im Dunklen. Drei fahlgrüne Funzeln an der Decke, manchmal drei Funzeln in nicht viel hellerem Rot. Nicht nur Fotografen reiben sich ratlos die Augen, auch das Publikum steht im Halbkreis herum und guckt der Band in der Dunkelheit beim spielen zu. Als der Lichtmann im Verlauf des Auftritts die Beleuchtung etwas 'lauter dreht', kommt Stimmung auf und plötzlich feiern die Leute Nummern wie 'Spirit's Asylum', 'Night's Bane' oder 'Mercyful Fate' – letztere sagen übrigens viel über die Ideengeber aus, die im Sound von SOUL GRINDER ihre Spuren hinterlassen haben. Der Sänger und Bassist Matthias hat zudem sichtich Spaß daran mit seinem Instrument herumzuposen und möglichst gefährlich dabei auszusehen. 'Sadistic Parasite' und 'Infernal Suffering' noch und damit ist ein zwar recht dunkel geratener, aber durchaus unterhaltsamer Gig zuende.

Slaughterday Hair NoHair II

„Also, ich könnte schon etwas mehr Licht gebrauchen, ich sehe meine Finger gar nicht!“ Wenn SLAUGHTERDAY-Gitarrist Finger seine Finger nicht sieht und nach dem dritten Song derartige Ansagen startet weiß man: Die ersten Viertelstunde des Gigs der Truppe aus Norddeutschland war echt verdammt finster. Nicht musikalisch, gar nicht. Zu Old-School Sound in angenehmer Lautstärke hüpfen im Schummerlicht 120 Braunschweiger umher, recken Fäuste, schütteln ihr Haar, starten zu 'Tyrants Of Doom' und 'Ancient Death Triumph' sogar einen kleinen Moshpit. Der Lichtmann hat ein Einsehen und dreht die Funzeln wieder 'lauter', auch wenn die Musiker von SLAUGHTERDAY schon Gefallen am Spiel im Schummerlicht haben, wie mir Bassmann Ulf nach dem Gig verrät. Aber noch ist Remmidemmi: Sänger Bernd wie in Trance, voll von seinen Songs und den Inhalten vereinnahmt rennt über die Bühne, zeigt hierhin, dorthin, gestikuliert und reißt eine Sekunde später erst seine Augen auf, dann die Faust gen Himmel und verweilt zu den Schlußtakten von 'Torn By The Beast' rot beleuchtet an einem Punkt, wie zur Salzsäule erstarrt! Niemand in dem Laden steht mehr still, niemand wendet die Augen von der Band, die sich zu 'Church Of Dread' und 'Cult Of The Dreaming Dead' wieder und wieder voller Energie aufbäumt, konzentriert wie auch entrückt gleichzeitig ihre Instrumente zu bändigen versucht. Gut, Ulf bändigt seine Haare und den Bass. Zum Ende hin ist auch Licht im Spiel, giftiges Grün und beißendes Feuerrot, lässt die Silhouetten der Musiker im Wechsel des Lichts fast schon im Warhol-PopArt-Stil erscheinen. Schluss. Stille. Zugabe? Zugabe! 'Cosmic Horror', die Band gibt nochmal alles, schweißgetränkt, überglücklich. Braunschweig dreht nochmal komplett frei. Es folgt Beifall, Händeschütteln. Plektren, Setlistzettel und Drumsticks wechseln die Besitzer und sogar der stark betrunkene Fan im Traitor-Shirt, der auf der Monitorbox zusammengesunken war, rafft sich auf, sichtlich zufrieden applaudierend. Was für eine eindrucksvolle Show.

A propos Betrunkener. Unser inzwischen vierzigjähriger Zombie-Trommler hat sich die Buddel mit durchsichtig-hochprozentigem komplett gegeben, alle Lampen stehen auf Fernlicht. Ohne Hilfe der Bandkollegen ist ein Nachhauseweg nicht mehr möglich. Ohje! Im Foyer der Halle hat sich derweil alles an Musikern, die noch stehen können unter die Besucher gemischt. Draußen regnet es – Grund genug, noch ein wenig im Jugendzentrum für Erwachsene zu verweilen. Es wird gefachsimpelt, die Einflussgeber gelobt, Platten- oder CD-Hüllen signiert und so der ein oder andere Drink genommen. Lang nach Mitternacht, die letzte Straßenbahn ist schon wieder lang weg – kennt man von Braunschweig ja nicht anders.

Wedekind Gisbertson