Der Bildschirm des internationalen Streams, in den sich der Fan gegen einen geringen Obolus einklinken kann erwacht pünktlich um 21Uhr zum Leben, als die Musiker bereits auf die Bühne steigen und fulminant mit 'Indoctrinate' vom neuen, selbstbetitelten Album in den Set einsteigen. Wer sich in den folgenden eineinhalb Stunden auf die Band konzentriert, bekommt einen Eskapismus geliefert, der fast Normalität vermitteln kann. Das Gitarrenduo Davish G. Alvarez und Guillermo Izquierdo zündet funkensprühende Riff-Feuerwerke und sägt sich mit Wucht und sichtlicher Freude durch einen Set, der von der Songauswahl kaum Wünsche offen lässt. Das Augenmerk liegt dabei klar und deutlich auf den aktuell erhältlichen Dreher, was angesichts gelungener Nummern wie 'We Stand Alone' und dem grandiosen 'Childhood's End' wohl keinen gestört haben sollte.
Für den internationalen Zuschauer am Bildschirm ist das Verfolgen eines Heimspieles der Truppe ein besonderer Spaß, denn Spanier reden gern, viel und vor allem Spanisch.
Was dem Auftritt zwischen den Songs eine exotische Note verleiht, wenn man verfolgt das Guillermo sich mit den anwesenden austauscht und dieses Happening als eine Fiesta für alte Freunde und Leute die quasi zur Familie gehören, bezeichnet. Vom Prinzip her hat der Mann mit der lockigen Löwenmähne, der sich über die Jahre mit dieser Band zu einem souveränen Frontmann und großartigen Shouter gemausert hat, vollkommen Recht. Trotzdem haben wir Pandemie. Verdammte Seuche! Leute die aus Begeisterung mal aufspringen und headbangen setzen sich dann doch bald wieder auf ihre vier Buchstaben. Sind wir ehrlich, wenn die Kapelle zu Tracks wie 'Violent Dawn' oder 'Serpents On Parade' den Knüppel aus dem Sack lässt, wenn sich die Izquierdo-Brüder mit Bass und Gitarre gegenseitig befeuern und Drummer Victor von hinten mächtig groovt, dann schreit das nach Slamdance, Stagedivern und einem mächtigen Moshpit. Während Fans in der ersten Reihe eingequetscht dem Geschehen auf der Bühne folgen und der Schweiß von der Decke tropft, versteht sich. Und so kommt es, wie es kommen muss, Sänger Guillermo feuert die Meute aus einem Automatismus heraus an mitzumachen, hält aber mitten in der Bewegung inne, weil er sich der herrschenden Situation bewusst wird. Profi genug, sich nicht zu verspielen, nicht den Fluss der bestens aufeinander eingespielten Band zu unterbrechen, die zudem eine gigantische Lichtshow auf Songs wie 'Give 'Em War' oder 'Sharpen The Guillotine' abgestimmt hat. Ein grandioser Gig mit einer Band, die in Bestform auftritt, ohne Frage.
Aber: Verdammte Seuche! Thrash Metal funktioniert nur bedingt mit Sitzplätzen, Masken und ohne Getränk in der Hand. Umso höher soll es honoriert sein, dass ANGELUS APATRIDA es zumindest versucht haben. Es kann nur ein Fazit geben: Dieses dämliche Covid muss weg!
Wedekind Gisbertson