Dies ist sehr erfreulich, und das haben sich die Besitzer Tanja und Jürgen Wittmann redlich verdient. Abgesehen von der gemütlichen, authentischen US-Atmosphäre, dem hervorragenden American-Diner-Essen und der durch die Bank sympathischen Belegschaft, wissen die Witmanns den Bands mit Respekt und großer Gastfreundschaft zu begegnen. Auch als Besucher fühlt man sich stets willkommen und pudelwohl.
Um 18 Uhr hält sich noch so gut wie jeder vor dem Venue auf, genießt kühle Drinks und das eine oder andere Schmankerl aus der reichhaltigen Food-Truck-Auswahl. Der Außenbereich des L.A. ist liebevoll mit so allerlei Requisiten, Kakteen, Schildern, Fahnen und sogar einem Autohinterteil als Deko ausgestattet. Anhand so viel Herzblut sind auch die Musiker aller Bands schwer begeistert und mischen sich lieber unters Volk, als sich im Tour-Bus zu verstecken.
Die erste Band spielt praktischerweise im Außenbereich auf. FREIGHT TRAIN RABBIT KILLER haben sich bleischwerem, düsterem und bluesigem Boogie Rock sowie hartem Country und Americana verschrieben. Das in Anzüge und originelle Masken gehüllte Duo erzählt dabei unheimliche und auch mal augenzwinkernde Geschichten, welche wie aus einem düsteren Comic entsprungen scheinen. Da passt es ins Bild, dass die Kansas-Boys auch einen Soundtrack für ein Comic-Buch komponiert haben, den es im Bundle auch käuflich zu erwerben gibt. Die Band macht mächtig Stimmung, erzeugt eine dichte sowie intensive Atmosphäre und erntet viel Aufmerksamkeit, Zuspruch und Applaus. Insbesondere die whiskygetränkte und raue, an eine Kreuzung aus Joe Cocker, Elvis und Glenn Danzig erinnernde Stimme weiß besonders zu gefallen. Ein gelungener, stimmungsvoller Einstand!
Solcherart auf die Themenschwerpunkte Alkohol, Satan und Weltuntergang geeicht, lässt sich das Kuttenvolk gegen 21 Uhr dann doch ins Innere der noch Hitze abstrahlenden Mauern des L.A. locken. Ein neues Album haben die belgischen Turbo-Speed-Metal-Maniacs von EVIL INVADERS nicht am Start, dennoch geben sie von der ersten bis zur letzten Sekunde ihres Sets alles, bersten vor schierer Kraft. Gerade Frontmann und Gitarrist Joe nutzt hyperaktiv die nicht gerade üppigen Bühnendimensionen – das eigene Drumkit wurde vor dem der Headliner aufgebaut – und wirft ständig grimmige Blicke ins Publikum. Und doch ist es schiere positive Energie, die das Quartett absondert. Der Endzwanziger-Stimmbastard aus Halford und Schmier, der ausschaut wie ein Teutonen-Metaller mit Mausoleum-Deal aus den frühen 1980ern, ist keineswegs auf extern zugeführten Drogen, sondern nur voller Adrenalin. Der Titelsong der „In For The Kill“-EP pendelt zwischen Heavy-, Speed- und Thrash Metal, einige der Lead-Verzierungen erinnern an die Megadeth der späten 1980er. Letztlich kommen alle vier Songs des besagten Digipacks von 2016 im Konzertverlauf unter – sowohl der zweite Studiotrack ‚Raising Hell‘, wie auch die dort in Live-Versionen vertretenen ‚Pulses Of Pleasure‘ und als Finale schließlich ‚Victim Of Sacrifice‘.
Obwohl die Musiker wie Derwische agieren, spielen sie mit großer Präzision und Bühnen-Routine. Kaum zu glauben, dass der aus Trier stammende Leadgitarrist Max „Mayhem“ Maxheim einst der Bassist war. Er dimmt mit hochmelodischen Soli gerne für eine Verschnaufpause das Gewaltniveau, welches er in anderen Passagen mit schrillen Highspeed-Einlagen und Luftalarm-Klängen maximiert (okay, ab in die Wortspielhölle). Sollte irgendein Zweifel daran bestehen, dass die Band es genießt, wie enorm das Publikum die empfangene Power spiegelt, genügt ein Blick auf Drummer Senne: Der blonde Sunnyboy würde selbst gegen einen Tobias Sammet jeden Dauergrinsewettbewerb gewinnen – und den talentierten Mann aus Fulda nebenbei unangespitzt in den Boden rammen.
Der Titelsong ‚Feed Me Violence‘ und ‚Oblivion‘ (der düster-balladeske Beginn täuscht…) verweisen nicht nur auf das noch immer aktuelle Albumzweitwerk, sondern rahmen auch dessen Single-Auskopplung ein: ‚Broken Dreams In Isolation‘, die in verschiedenen Vinyl-Pressungen auch heute Abend erhältlich ist. Leider intonieren sie nicht das Savatage-Cover der B-Seite, aber mit seinem majestätischen Thema und der stampfenden Strophenrhythmik bringt der Song nach dem atmosphärischen Intro ‚Suspended Reanimation‘ auch so noch mehr Abwechslung in die Abreibung. Viel zu früh wird ‚Victim Of Sacrifice‘ angekündigt, ein Relikt aus Demozeiten, welches für das erste Minialbum aufpoliert wurde. An dessen Ende zeigt sich, dass der mittige der mit geschmiedeten Band-Initialen verzierten Mikrofonständer nicht nur eine optische Zusatzfunktion hat: Joe erklimmt die Sprossen und fuchtelt zu den letzten Zeilen mit einem Opferdolch herum. Ein Wahnsinns-Gig, der natürlich seinen Tribut am Merch-Stand fordert.
In der heutigen Zeit passiert es schon mal, dass ein altgedientes Thrash-Urgestein trotz guter Gigs und Klassikern im Repertoire von einer jungen wilden und engagierten Nachwuchs-Combo bezüglich Energielevel und Aggression an die Wand gespielt wird. Eine Killer-Live-Band wie DEATH ANGEL muss sich darüber aber trotz unglaublicher Steilvorlage der EVIL INVADERS zuvor keine Sorgen machen. Dafür sind die bereits seit 1982 aktiven Urgesteine zu charismatisch, zu faszinierend und vor allem zu gut eingespielt. Die Tightness der Kalifornier gleicht einem Schweizer Uhrwerk und kommt anhand des perfekt ausbalancierten Sounds perfekt zur Geltung. Es klangen zwar schon die wilden Belgier klasse, aber der schneidende Gitarrensound sowie die knackigen Drums hauen vom ideal gewählten Opener 'Thrown To The Wolves' an voll rein. Mark Oseguedas Stimme scheint mit dem Alter auch immer besser zu werden. Immerhin ist der Gute im Februar bereits 50 geworden. Der Fronter ist stets in Bewegung und legt viel Leidenschaft und Kraft in seinen Gesang. 'Claws In So Deep' singt er sehr emotional, um anschließend beim Klassiker 'Voracious Souls' vom Debüt positive Aggression pur zu versprühen. DEATH ANGEL mögen sich untereinander, haben einzeln und im Kollektiv mächtig Spaß in den Backen und reißen mit dieser Ausstrahlung das Publikum völlig mit. 'Father Of Lies' und 'The Moth' repräsentieren die letzte bockstarke Platte, ehe 'Seemingly Endless Time' zu „Act III“ zurückgeht und für die bis dato heftigste Reaktion vor der Bühne sorgt.
'The Dream Calls For Blood' tritt dann das Gaspedal weiter durch und beweist, dass Stücke neueren Datums im Vergleich zu den Klassikern nicht, oder wenn überhaupt, kaum abfallen. Leadfitarrist Rob Cavestany bei der Arbeit zuzusehen, ist ebenfalls eine große Freude. Sein sehr gefühlvolles, filigranes Solospiel ist aus vielen anderen Musikern sofort herauszuhören. Und Will Carroll? Der witzige Sympathikus ist nun auch bereits zehn Jahre in der Band und spielt das schnelle Altstück 'Mistress Of Pain' ebenso souverän wie das ruhigere, melancholische 'Lost' jüngeren Datums. Carroll spielte zuvor schon mit Bassist Damien bei den Thrashern Scarcrow zusammen. Grinsebacke Sisson wiederum zockt neben DEATH ANGEL auch bei Potential Threat.
Die Band konzentriert sich nun für drei Songs auf das neue Klassealbum „Humanicide“. Dies hat der kleinste Samoaner der Welt alias Ted Aguilar mit seiner ultra-brutalen rechten Hand perfekt mitveredelt. Nach dem Titeltrack gibt es noch 'I Came For Blood' sowie das groovige 'The Pack' zu hören. Zum Schluss dieser herausragenden Performance mobilisieren Band und Publikum noch einmal alle Kraftreserven und drehen zu dem Medley aus 'The Ultra Violence' und dem Übersong 'Kill As One' noch einmal völlig durch. Anschließend laufen Band und Zuschauer grinsend zum nächsten Getränkestand des Vertrauens. Hammer-Konzert, an das sich viele noch lange erinnern werden!
Text: Markus Wiesmüller, Björn Thorsten Jaschinski
Fotos: Anastasiya Wiesmüller