Das Musikzentrum ist an diesem Freitagabend gut gefüllt, und rein organisatorisch läuft alles wie am Schnürchen, was in diesem Club leider nicht selbstverständlich ist. Kurz die recht hohen Preise am Merchandise-Stand gecheckt, und schon geht es vor die Bühne, wo die All-Girl-Band BURNING WITCHES erst mal für Grinsen sorgt, als die Schlagzeugerin ihren Minirucksack/Handtasche neben dem Drumkit verstaut, bevor losgerockt wird. „Mädels halt!“ tönt es neben mir. Ja, stimmt schon, die Band hat beim überwiegend männlichen Publikum durchaus den Frauenbonus, denn Frauen, die richtigen Metal spielen und nicht leichten Tralala-Pop à la Beyond The Black und dazu noch hübsch anzusehen sind, kommen beim gemeinen männlichen Metaller gut an. Aber damit würde man den Damen Unrecht tun, denn was folgt, ist genial und zutiefst beeindruckend.
Gerade was die beiden Gitarristinnen leisten, besonders Sonia, ist eine Lehrstunde in Sachen Heavy Metal. Man merkt den Damen eine leichte Grundnervosität an, die aber spätestens nach dem zweiten Song verschwunden ist, als sich herauskristallisiert, dass das Publikum steilgeht und die Hexen ohne Ende abfeiert. So ist die Stimmung vor der Bühne grandios, und Publikum und Band stacheln sich gegenseitig zu Höchstleistungen an. Sängerin Saraina beeindruckt mit einem weiten Stimmumfang und erinnert vom Stageacting an eine junge Sabina Classen. Die Dame wird Metal-Queen Doro in nächster Zeit ihren Thron extrem streitig machen. Sie sollte an ihren tiefen Death-Metal-Grunts noch arbeiten, denn diese sind mehr als nur genial und dürfen gerne in Zukunft öfter eingesetzt werden, aber auch die spitzen hohen Schreie und ihre bodenständige Rockröhre sind über jede Kritik erhaben. Und welche Band kann schon Ronnie James Dio covern, ohne dabei zu verlieren? Die BURNING WITCHES können dies, wie sie mit 'Holy Diver' beweisen, wobei die eigenen Songs ebenfalls über alle Kritik erhaben sind. Das Titelstück des aktuellen Albums „Hexenhammer“ wird zum Triumphzug, Songs wie 'Open Your Mind' oder 'Lords Of War' gehen einfach nach vorne los, sodass die Spielzeit wie im Fluge vergeht und es nach dem Gig beim (kostenlosen) Meet & Greet am Merchstand gut voll wird und die Damen bereitwillig und freundlich für jeden Autogrammwunsch und jedes Foto zur Verfügung stehen. Egal, wen man im Publikum fragt, man bekommt nur positive Reaktionen. „Mann, waren die geil!“, heißt es allerorts. GRAVE DIGGER haben dennoch leichtes Spiel, als sie die mit Pappzombies und Sensenmann ausstaffierte Bühne betreten, wobei mir persönlich die Hexen aber sogar eine Spur besser gefielen. Wie beim Support ist der Sound klasse und die Mannschaft um Frontmann Chris extrem spielfreudig und gut gelaunt. Der sympathische Sänger sucht vom ersten Augenblick an den Kontakt mit dem Publikum und sorgt für eine Kumpelstimmung, die gut ankommt. Zwischen den Songs wird immer wieder lustig gequatscht, und obwohl es zu einigen technischen Pannen während des Gigs kommt, die die Band gekonnt überspielt, gibt es keine Durchhänger. Die Menge frisst der Band aus der Hand. Leider verzichtet die Band darauf, außer 'Heavy Metal Breakdown' uraltes Material zu spielen, aber es scheint auch so, als ob die meisten Fans dies gar nicht vermissen, also machen sie wohl alles richtig. Songs wie 'The Clans Will Rise Again', 'Lionheart', ´The Bruce', das coole 'Season Of The Witch', 'Excalibur', das unvermeidliche 'Rebellion' oder auch das Titelstück das aktuellen Werkes sorgen für Hochstimmung.
Der von Chris als „sowohl beliebtester als auch meist gehasster GRAVE-DIGGER-Song“ angekündigte 'Zombie-Dance' bringt sogar ein wenig Tanzparkett-Stimmung auf und kommt live verdammt cool und witzig rüber. Tanzen statt Moshpit! Mit einem immer mal wieder auf der Bühne auftauchenden Grim Reaper und netten Pyros gibt es auch was fürs Auge, und die Lightshow ist ausgefeilt und passend, sodass man den Jungs zugestehen muss, alles richtig gemacht zu haben und ein restlos begeistertes hannoverisches Publikum zu hinterlassen. Nur die Merchandise-Preise sollte man noch einmal überdenken: 70 Euro für einen Hoodie ist schon hart. Trotzdem – zwei geniale Bands, guter Sound, geile Stimmung – so kann das Metal-Jahr 2019 beginnen!