An einem winterlich frischen Sonntagabend macht man sich in Wien auf, um die schwedischen Melo-Black-Metal-Größen NAGLFAR zu begutachten, die recht überraschend eine Tour angekündigt hatten, um den Re-Releases ihrer Demo-Songs zu feiern. Mit dabei sind die Schweizer Avantgardisten SCHAMMASCH und die österreichischen Post-Black-Metaller ANOMALIE. Organisiert wird die Konzertreise von Quantheon Touring, hinter welchen sich unter anderem auch unsere Fotografin Sunvemetal verbirgt. Ein zusätzlicher Grund, sich in die kalte Nacht hinauszuwagen, um eine Kollegin zu unterstützen.
Am Vortag fand in Wels das Celebrare Noctem Fest (unter anderem mit Dead Congregration, Gaahls Wyrd und Whoredom Rife) statt, dementsprechend ist man schon gut aufgewärmt und in Stimmung gebracht, als man den kleinen, aber gut besuchten Keller des Viper Room in Wien betritt und feststellt, dass ANOMALIE schon auf der Bühne stehen.
Mastermind Marrok (früher auch bei Selbstentleibung aktiv) scheint sich mit ANOMALIE als Künstler selbst gefunden zu haben, jedenfalls wirkt die Truppe bei diesem Auftritt tighter und zusammenhängender als noch vor zwei Jahren, als sie zusammen mit Jess And The Ancient Ones und Caronte durch Europa gestreift sind. Das liegt wohl auch an der starken neuen MCD “Integra” sowie schlicht an der Bühnenerfahrung, die man sich in den letzten Jahren aufgebaut hat. Wie auch auf den Alben überzeugt man live mit atmosphärischen Soundwänden, die durch das Wiederholen von Riffs erzeugt werden und sich langsam in das Hirn der Zuhörerschaft fräsen. Dass Marrok diese hypnotische Wirkung seiner Instrumentalfraktion nutzt, um selber auf der Bühne zu thronen und die Musik mit epischem Gesang anzureichern, passt perfekt ins Bild. ANOMALIE wollen nicht nur Metal spielen, es steckt ein Gesamtkunstwerk dahinter, das auch dementsprechend präsentiert werden soll. Für den letzten Song holt man sich dann noch Schammasch-Fronter C.S.R. auf die Bühne, um gemeinsam die Botschaft unter das Volk zu bringen. Ein Gig, der dem Publikum sichtlich Spaß gemacht hat – der Applaus war zumindest dementsprechend.
Nach gut 20 Minuten Umbaupause, welche man dazu nutzen konnte, das reichhaltige Merchandise (coole NAGLFAR-Shirts) und auch eine kleine Kunstausstellung zu bewundern, stehen SCHAMMASCH auf der Bühne und präsentieren ihren sperrigen, aber nichtsdestotrotz eingängigen Black Metal. Auch hier erhält Frontmann C.S.R. schon alleine aufgrund seiner Aufmachung die volle Aufmerksamkeit, während die restlichen Musiker mehr oder weniger im Hintergrund verschwinden und nur durch ihre Handwerkskunst überzeugen. Macht aber nichts, SCHAMMASCH liefern sowieso im Wesentlichen Musik ab, die man mit geschlossenen Augen genießen sollte. Nach einem etwas sanfteren Einstieg folgen mit ,Golden Light’ und ,Chimerical Hope’ zwei Kracher, mit denen man nichts falsch machen kann. Ist das Publikum anfangs noch etwas verhalten (außer einigen Die-Hard-Fans in der ersten Reihe), so beginnt es nach den ersten drei Tracks aufzutauen und sich auf die Soundwelt der Schweizer einzulassen. Mit ,Do Not Open Your Eyes’ hat man noch einen Song von der neuen MCD “The Maldoror Chants: Hermaphrodite” am Start, mit ,Metanoia’ und ,Above The Stars Of God’ bedient man noch die “Triangle”-Fans. Der Spannungsbogen ist damit intelligent konstruiert, wobei man im letzten Viertel des Sets merkt, dass man nun langsam gerne etwas hören würde, das direkter in die Fresse geht. Da können SCHAMMASCH nichts dafür, es wächst schlicht und einfach die Hoffnung, nun die Schweden von NAGLFAR sehen zu können. Sowohl handwerklich wie auch gesamtästhetisch liefern SCHAMMASCH nämlich einen exzellenten Gig ab.
Dann ist es soweit und vier Mannen stürmen auf die Bühne – man erblickt Alex “Impaler” Friberg (Necrophobic) mit einem Bass sowie Efraim Juntunen hinter den Drums. Andreas Nilsson an der Gitarre ist grau geworden (!), aber Marcus Norman (Vargher) sieht immer noch so böse aus wie früher. Schließlich stürmt auch noch Kristoffer W. Olivius mit einer Form von Brustpanzer auf die Bühne und startet in den Song ,Feeding Moloch’ beziehungsweise ,The Mirrors Of My Soul’. Es dauert keine drei Minuten bis sich das Publikum eingegroovt hat, die Mähnen fliegen und Fäuste dem alles andere als Publikums-scheuen Frontmann entgegen gestreckt werden. Ja, man hat sogar eine Zeitlang das Gefühl, als würde der Gig Kristoffer selbst am besten gefallen. Böse schauen und sein, das lernt der Schwede zwar in diesem Leben nicht mehr, aber Energie und Motivation bringt er mit. ,And The World Shall Be Your Grave’ sowie ,Bring Out Your Dead’ werden frenetisch abgefeiert, ebenso ,Blades’, das mit lustigen eingespielten Sounds dargeboten wird. Der Frontmann quatscht zwischen den Tracks zwar gerne mal ein bisschen, aber es hält sich dankenswerterweise in Grenze und man konzentriert sich im Wesentlichen darauf, Schwarzmetall mit melodiösem Unterton in die Menge zu feuern. Belohnt werden die Schweden dafür mit “NAGLFAR-Sprechchören”, was die ganze Truppe sichtlich freut, auch wenn gerade Andreas und Alex alles tun, um möglichst böse zu wirken. Irgendwann sprengt Kristoffer dann seinen Brustpanzer und man erblickt ein NAGFLAR-Shirt an seinem Körper, was man dem guten Herrn durchgehen lässt, denn er und seine Truppen dürfen an diesem Abend zurecht stolz auf sich sein. Mit ,I Am Vengeance’ und ,The Brimstone Gate’ beschließt man einen starken Gig, der einen glauben lässt, dass NAGLFAR überhaupt nie weggewesen sind. Jetzt darf man nur hoffen, dass man daraus mehr macht und in Bälde wieder regelmäßig durch die Weltgeschichte tourt!