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R evolution Öf Steel

REAVERS:

Der Einlass öffnet, die Bude füllt sich merklich und einige Minuten später schmeißt sich Klitz, Frontschreihals der Hamburger Combo REAVERS den Patronengurt über die Schulter, schnallt den Bass um und die Truppe legt mit der Signature-Nummer 'Bad To Reav' los. Eine originelle Mischung aus Thrash und Punk, die mit coolen Speed-Metal-Riffings aus dem Instrument von Gitarristin Katy einen leichten Touch alter Metallica bekommt. Klitz bekommt viel Beifall für eine deutliche Ansage, was er über sexuelle Belästigung auf Konzerten denkt und wo sich dererlei Widerlinge doch hinscheren können. Mit 'Nuclear Winter' folgt dann nicht etwa eine Coverversion vom Headliner des Abends, die REAVERS haben einen eigenen Song, der so heißt. Der grob geklopfte 'Violator' von der jüngsten Single der Band und das von den Freunden der Band lautstark geforderte 'Bier Und Korn' bilden den Abschluss des kurzen Sets.

Reaver Bass

FIRST AID:

Thrash Metal und die Hauptstadt Berlin, das ist eine Formel, die normal nicht funktioniert. Die Ausnahme der Regel klettert gerade auf die Bühne des sich füllenden Kronensaals: FIRST AID! Die trinkfesten Mannen um Rampensau Keksgrinder starten den Reigen vergnügt mit 'Running Man', schieben gleich 'Lifetime Torment' hinterher und thrashen sich mit hörbar viel Freude durch einen ausgewogenen Set. Keksgrinders Stimme ähnelt inzwischen eher dem Organ von Tankards Gerre, was dem stark gitarrenlastigen, von alten Exodus, Testament und Over Kill geprägten Sound der Berliner einen passenden Kontrast verpasst. Überraschungsgast bei 'Rise Of The Dead' ist übrigens der Blackout-Sänger Matze, ein altes Urgestein der Ost-Berliner Szene. Nach einer guten halben Stunde geht der Gig der Truppe mit 'Suicide Moshpit' zuende. Der Aufforderung, einen selbstmörderischen Circle-Pit loszutreten, kommt Hamburg aber nicht nach. Klasse Auftritt von FIRST AID!

FirstAid Action

CONTRADICTION:

CONTRADICTION quittieren zum Ende dieses Jahres den Dienst. Über dreißig Jahre im Auftrag des Thrash Metal durch die Lande ziehen und trotz starker Alben und guter Reviews nicht den Sprung in die höhere Liga zu schaffen ist schon bitter. Umso unverständlicher, wenn man den Auftritt verfolgt, den die Wuppertaler um Frontmann Oliver Lux auf die Bretter legt. Nach dem Intro geht es mit 'The Warchitect' los und egal ob 'Age Of Aquarius' oder 'Angel Of Blackness', Hamburg feiert CONTRADICTION. Zum ersten Mal am Abend wird es in den ersten Reihen vor der Bühne eng und spätestens zur gelungenen Johnny-Wakelin-Coverversion 'In Zaire' brennt die Hütte ein wenig. Das Reibeisen-Organ von Lux und die wohldosierten Megadeth-Momente vom anderen Oliver, Kämper, machen eine Menge Spaß. Nach dem fulminanten Finale 'Break The Oath' gibt’s langen Applaus und erste Rufe nach Zugaben werden laut!

Contradiction Frontal

WARRANT:

Die Überraschung des Festivals ist ohne Frage das Düsseldorfer Speed-Metal-Geschwader von WARRANT. 1983 gegründet und somit vierzig Jahre mit dabei, keine Frage das die alten Hasen Tom Angelripper und Frank Blackfire mit dem letzten verbliebenen Gründungsmitglied, dem sänger und Basser Jörg Juraschek im Backstage die Köpfe zusammenstecken und über die alte Zeit klönen. 'Come And Get It' und 'Satan' bilden den Einstieg in einen energiegeladenen Gig, der alle wichtigen Songs aus der Früh-Zeit der Band umfasst. 'Nuns Have No Fun', 'The Rack', 'Betrayer', 'Scavenger's Daughter' und 'The Enforcer', bei dem der maskierte Executioner – das Maskottchen der Band – zum wiederholten Male auf die Bühne kommt und diesmal T-Shirts verteilt, die Flugeigenschaften von unverknoteten Shirts dabei allerdings falsch einschätzt. Ein gelungener Gig, der sich allein durch die melodiösere Ausrichtung der Band gut vom Rest der Bands abhebt. Zwei neue Nummern haben die Düsseldorfer außerdem ins Program eingebaut und Jörg stellt mit markigen Worten sogar eine neue WARRANT-Scheibe für irgendwann 2024 in Aussicht. Nach 'Bang That Head' ist Schluss. Auch diesmal gibt’s Rufe nach Zugaben, aber: Fehlanzeige.

Laut Veranstalter Pierre Bade von Poser 667-Productions sind etwa 550 Leute in der Halle, er hätte sich einige mehr gewünscht um die Produktion am PlusMinusNull vorbeizuführen. Trotz solcher Sorgen im Hinterkopf sieht man dem Mann an, wie viel es ihm bedeutet, das Festival heute in der Form in Hamburg durchziehen zu können. Danke hierfür nochmals ausdrücklich!

Warrant Guitar2

SODOM:

SODOM machen an diesem Abend genau einen kleinen Fehler: Sie drehen ihren Sound lauter als notwendig. War bei allen Vorbands überall im Raum ein glasklarer und angenehmer Klang zu hören, so wird es bei der Thrash-Legende aus Gelsenkirchen etwas mehr matschig und die Vocals teils unverständlich. Das interessiert im Publikum aber die allerwenigsten. Was die vier Sodomisten ab dem eröffnenden 'Among The Weirdcong' lostreten ist nur schwer in Worte zu fassen. Du schaust in den Raum, es ertönt 'Jabba The Hut' von „Get What You Deserve“. Stagediver fliegen durch die Luft, kaum einer hält ein Handy in die Höhe weil vorne ein Moshpit tobt, der seinesgleichen sucht. In den Pausen zwischen den Stücken ist es wieder da, das Familientreff-Feeling. Angelripper bittet Leute, die stagediven wollen, lediglich auf Musiker und Equipment Rücksicht zu nehmen, ansonsten sollen sie doch machen was sie wollen. Sagt es und verteilt händeweise Bierflaschen aus Glas in den ersten Reihen und feuert zusammen mit seiner Band einen Kracher-Song nach dem nächsten ab: ‚Sodomy And Lust‘, ‚Outbreak Of Evil‘, ‚Stumme Ursel‘. Das Ganze fühlt sich an, wie als wären wir in der Zeitmaschine zurück in die späten Achtziger geflogen, zumal Trommler Toni Merkel live noch deutlicher wie Witchhunter klingt und Frank Blackfire immer noch ähnliche Grimassen schneidet, wie damals. ‚Agent Orange‘ im passend orangefarbig ausgeleuchtetem Nebel ist dann der Punkt, an dem sich der Kronensaal komplett in ein Tollhaus verwandelt. Hamburg ist zudem eine beinharte Motörhead-City, wie die kleine Episode aus dem Verlauf des Konzertes zeigt: Eigentlich wollte Tom was von Venom erzählen und eine Coverversion der Band aus England bringen, kommt aber gar nicht zu Wort, weil auf ein mal lautstarke „Motörhead! Motörhead!“-Sprechchöre ertönen. Verständigung der Band untereinander, kein Problem. Dem alten Lemmy und seiner Band zu Ehren gibt es ‚Iron Fist‘ – Venom spielen SODOM erst einen Tag später in Berlin. Es folgen unter anderem ‚M-16‘, ‚Caligula‘, ‚Tired And Red‘ mit Erinnerung an Chris Witchhunter, ‚Equinox‘ und eine mörderisch runtergeschrammelte Version von ‚Ausgebombt‘ auf Deutsch, bevor gegen Mitternacht nach dem obligatorischen ‚Bombenhagel‘ das Steigerlied vom Band ertönt und die Musiker alles an Plektren, Setlist-Zetteln, noch mehr Bierflaschen, Whiskey-Shots oder Drumsticks an die Leute verteilen, was sich auf der Bühne finden lässt. Wie bei SODOM üblich, bekommt auch in dieser Nacht noch jeder ein Autogramm, ein Selfie und der ein oder andere der vor dem Transporter der Band ausharrt, auch noch ein Bier. In Hamburg ist sich die Metal-Szene bis heute einig, an dem Abend einen echt legendären Abriss erlebt zu haben.

Fotos & Text: Wedekind Gisbertson

Sodom Action4