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Wenige spanische Bands hegen internationale Ambitionen, sie halten nicht nur ihre Texte, sondern auch die Homepages/Facebook-Profile in ihrer Heimatsprache. Die „9 to 5“-Jobs lassen die Musik ohnehin nur als Hobby zu: „Darüber hatten wir uns sogar schon vor der Bandgründung verständigt: Wir lieben Musik mit englischen Texten und fühlen uns dabei auch besser. Da brauchte es gar keine große Diskussion. Das gilt auch für die sozialen Medien, unsere Art von Musik wird im übrigen Europa viel stärker wahrgenommen und nachgefragt als in Spanien. Daheim sind die Metaller noch sehr traditionell. Wir kommen im Ausland besser an. Was wir uns allerdings wünschen würden, wären die genannten ,9 to 5‘-Jobs. Leider arbeitet man hier von morgens um acht bis abends um 20 Uhr, mit zwei, drei Stunden sinnloser Pause dazwischen. Das ist völlig irre! Um unsere Rechnungen und Mieten zu zahlen, aber auch zur Finanzierung der Band benötigen wir normale Berufe. Jede Aufnahme, die Promotion und sogar die Gigs verschlingen Geld. Unsere Jobs sind völlig verschieden. Ich bin Architekt, unser Sänger Mario ist ein Shiatsu-Therapeut, Gitarrist Elhadji ist Produzent für audiovisuelle Medien, unser Drummer Jose arbeitet als Techniker im Elektronikbereich und Bassist Octavio managt ein Restaurant. Von der Musik leben zu können, wäre ein Traum – ich würde alles dafür geben, da mir Musik alles bedeutet. Traurigerweise ist es leicht, diese Antwort zu geben, aber in der heutigen Musikindustrie kann man das kaum schaffen.“

Umso erstaunlicher ist es, dass man sich Jens Bogren für das Mastering leisten konnte. Gemixt wurde wieder mit einem befreundeten Fachmann in Kanada. „Sacha hat schon unsere „Giant“-MCD betreut. Wir waren sehr glücklich mit dem Ergebnis und wollten die Zusammenarbeit intensivieren, weil er uns kannte. Gleichzeitig sollte es mit dem Zutun von Jens auf die nächste Stufe gehen. Leider mussten wir alle Produktionskosten selbst zahlen, aber so ist das heute eben. Man kann keinem Label mehr ein rohes Demo präsentieren und erwarten, dass sie dein Potenzial erkennen und in dich investieren. Sie bekommen ständig tonnenweise fertige Produktionen, also muss man in derselben Liga spielen und eine komplett fertige Aufnahme vorlegen. Man hat nur eine Chance, also sollte man besser perfekt vorbereitet sein.“

Ihre beachtlichen Gig- und Festival-Engagements haben JOTNAR bislang selbst koordiniert, jetzt ist es an der Zeit, einen professionelleren Booker zu konsultieren. „Wir brennen darauf, ganz Europa zu bereisen. Gerade erstmals in Deutschland zu spielen, wäre toll. Das ist die Wiege des Metalls auf dem Kontinent. Es laufen Gespräche mit mehreren Agenturen; schauen wir, dass wir den perfekten Treffer landen. Was die Zusammenarbeit mit Sphinx betrifft: Wir hatten keine gemeinsamen Auftritte mit den Andalusiern, aber ich bin gut mit ihrem Gitarristen Santi Suarez befreundet, einem echten Tier an seinem Instrument. Sein Gastauftritt war ungeplant, er hing eines Tage mit uns in unserem Studio ab und ich spielte ihm ‚The Portrait‘ vor. Ich erzählte ihm, dass ich das Arrangement verändern und ein paar Akustikgitarren bei einem Break einbauen wollte. Er schnappte sich eine Gitarre und fing an zu improvisieren, also sagte ich ,Warte, lass uns das mitschneiden!‘, was wir auch taten. Alles wurde in einem Rutsch aufgenommen, völlig spontan und natürlich.“

Genau so natürlich ergeben sich die vielen fröhlichen Leads und die Twin-Gitarren, welche man im heutigen Sound von In Flames schmerzlich vermisst. „Die meisten Melodien sind dennoch in Moll, nicht Dur. Wenn man unsere Musik mit der aus Skandinavien vergleicht, bemerkt man viele Gemeinsamkeiten, aber eben auch Unterschiede. Auf den Kanaren zu leben, schlägt sich so nieder. Für mich ist das Subgenre Melodic Death Metal viel zu weit gefasst, es beherbergt so unterschiedliche Bands wie In Flames, Dark Tranquillity, At The Gates und Arch Enemy. Jede dieser Bands hat sich dazu selbst über die Jahre stark geändert und wird immer noch unter dieser Bezeichnung geführt. Wir sind eine Gitarrenband, und die Melodien davon sind der Ausgangspunkt jedes Songs. Die Gesangslinien sind genau so wichtig, aber eben nicht die Basis. Was die Veränderung von In Flames betrifft: Nach über 20 Jahren und elf Alben empfinde ich das als ganz normal. Ich mag sie alle, so verschieden sie auch sind, jedes hat etwas Spezielles, das ich daran schätze. Persönlich vermisse ich dennoch diese Riff-lastigen Songs aus der Phase, in denen die Gitarren bei ihnen das dominante Instrument waren. Ich könnte als mein Lieblingsalbum von ihnen „Whoracle“ nennen, aber wenn dann irgendwo „The Jester Race“ läuft, entscheide ich mich dafür. Dasselbe würde mit „Colony“, „Clayman“ oder „Come Clarity“ passieren. Sie sind einfach die Urväter dieses Stils, und ich kann da nicht ein Werk herauspicken. Bei Dark Tranquillity ergeht es mir übrigens ebenso“, bekennt der Iberer, der zum Bierchen gerne kanarischen Rum der Marke Arehucas kippt.

Passende Musiker, speziell Sänger, auf den Inseln zu finden, war wesentlich schwieriger, als an Alkohol zu kommen. „Wir probierten einige aus, Sänger wie Drummer. Das erschwerte uns den Start. Wir hatten eine genaue Vision, wie wir klingen wollten, konnten es aber nicht umsetzen. Zu Beginn war das meiste gegrowlt, weil man kaum einen guten Growler fand, der auch noch klar singen konnte. Als wir schließlich Mario fanden, konnten wir nicht zufriedener sein.“

Kontakt zu den fast gleichnamigen Holländern Jötnar gab es bislang nur indirekt. „In Amsterdam fragte ein Kumpel jener Band, ob er unseren Bassisten fotografieren dürfte, der ein JOTNAR-Shirt trug, um es seinen Jungs zu zeigen. Das war ein spaßiger Moment.“

 

Text: BTJ

Foto: www.facebook.com/JOTNAROFFICIAL