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Auch mit „Vulture City“ bleibt die Luxemburger Extreme Prog-Band ihrer ambitionierten Vorgabe treu, grundsätzlich nur Konzeptalben zu veröffentlichen, deshalb wird die aktuelle Scheibe gleich noch von einem Buch aus der Feder von Band-Mastermind Luc Francois begleitet. Warum man sich selbst die Messlatte so hoch legt und alles andere, was in der Print-Ausgabe keinen Platz mehr fand, lest Ihr hier.

Ihr schreibt ja, dass ihr von Anfang an diese Intention verfolgt habt, nur Konzeptalben zu schreiben – warum?

Konzeptalben sind halt dufte! Nun, da hat ein Kerl, der wie ein richtig bösartiger Hund heißt, eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt: Blackie Lawless. Zum Zeitpunkt der Bandgründung sind bei mir gerade „The Crimson Idol“ von W.A.S.P. und auch „Hyperion“ von Manticora in Dauerrotation gelaufen – beides unglaublich starke Konzeptalben, die durch das zusammenhängende Konzept mehr Raum haben, um eine intensive Gefühlsebene aufzuspannen. Man kann es prima an 'The Great Misconceptions Of Me' festmachen: Der Song zehrt von allem, was das ganze Album über aufgebaut wurde und ist deswegen ein solcher Gigant. Der Wunsch, Geschichten zu erzählen, hat dann den Rest erledigt. Wenig später ist dann die Idee herangereift, zusätzlich begleitende Romane anzubieten, wenn es denn passt, und das geht am besten bei Konzeptalben. Außerdem, so haben wir uns gedacht, bewahrt uns das automatisch vor Stagnation, schließlich bringt jede Geschichte eine eigene Identität mit, die es dann musikalisch einzufangen gilt.

Meinst du, dass es einfacher ist, Musik „frei“, also ohne eine Bindung an ein Konzept zu schreiben, oder findest du das Konzept so inspirierend, dass es so für dich/euch sogar leichter ist?

Um ehrlich zu sein, kenne ich fast nur die eine Seite und kann deswegen nicht allzu viel dazu sagen. Das Konzept gibt natürlich immer einen gewissen Rahmen und eine gewisse Stimmung vor, allerdings bleiben diese ja immer noch mit Leben zu füllen. Manchmal will da eine Idee nicht reinpassen, das stimmt, aber auf der Haben-Seite gibt es einen roten Faden, welcher die Angelegenheit zusammenhält. Wie straff dieser gespannt ist, liegt im Endeffekt immer noch beim Musiker. Da ist dann eine gute Planung und interne Absprache wichtig. Wir haben bislang erst einen Song geschrieben, der nicht im Kontext eines Albums spielt, wobei es auch da eine bestimmte Vorlage gegeben hat. Aber dazu wird es wohl erst im nächsten Jahr mehr Infos geben.

Inwiefern seid ihr denn mit eurer ersten Eigenveröffentlichung auf die Schnauze gefallen, wie ihr ja in der Bandinfo schreibt?

In nahezu jeder Hinsicht, würde ich sagen. Damals habe ich das Ding mit unserem Gitarristen Xavier Hofmann allein gestemmt, wobei er im Gegensatz zu mir schon etwas Erfahrung als Musiker hatte. Wir wollten dann aber ganz frech den DIY-Ansatz verfolgen, weshalb er sich die Sache mit dem Produzieren von Musik angeschaut hat, und ich meine ersten Gehversuche als Sänger unternommen habe. Für sich genommen ist das noch nicht fatal, allerdings haben wir genreübergreifend zu agieren versucht, also zwischen Power- und Black Metal alles ein wenig angespielt. Für ein solches Vorhaben hat uns schlicht die Erfahrung gefehlt, und noch dazu haben wir uns konstant im eigenen Echo aufgehalten und erst bei der Veröffentlichung richtig gemerkt, dass doch alles schief und ungelenk klingt. Ein paar gute Kritiken – in erster Linie durch den Roman und das mutige Konzept bedingt – hat es zwar gegeben, aber insgesamt waren die Reaktionen doch sehr durchwachsen. Eine Schreiberin hat uns im Jahresrückblick sogar als schlechtestes Album des Jahres betitelt, was uns allerdings sehr gefreut hat. Adam Sandler ist so schließlich auch groß geworden.

Auch die Produktion ist sehr professionell und entstand mithilfe von Seeb Levermann von Orden Ogan – wie seid ihr denn an ihn geraten?

Ich bin schon ewig Orden Ogan-Fan und habe im Lauf der Jahre auch die anderen Knallköpfe damit anstecken können. Da Seebs Produktionen die Messlatte immer höher gelegt haben, sind wir bei unserer letzten Scheibe „The Marble Fall“ auf die Idee gekommen, ihm das Mastering zu überlassen. Hat wunderprächtig geklappt, noch dazu ist Seeb einer, der nicht nur seinen Job macht, sondern sich um einen Austausch bemüht. Da hat sich gar nicht erst die Frage gestellt, ihn diesmal mehr als nur das Mastering machen zu lassen.

Seht ihr euch als „richtige“ Band oder ist es schon deutlich deutlich dein Projekt, da du ja eben das Konzept vorgibst? Wie sind die Songwriting-Anteile gewichtet?

Mindpatrol ist definitiv eine richtige Band, in welcher alle gleichberechtigt sind und ihren Teil leisten. Ich bin halt der Geschichtenerzähler, aber uns ist wichtig, dass sich jeder mit der gemeinsamen Ausrichtung identifizieren und sich selbst einbringen kann. Beim Songwriting bin ich zwar fast immer dabei, aber das liegt ganz einfach daran, dass ich Freude daran habe. Einen spezifischen Songwriter haben wir nicht, und das wollen wir auch nicht: Je nachdem, wer gerade kann, hocken wir uns zusammen und machen Musik.

Um die Frage nach der Luxemburger Metal-Szene kommen wir natürlich nicht rum: Was ist bei euch so los, bzw. geht überhaupt was?

Eine schwierige Frage! Luxemburgische Truppen gibt es en masse, und qualitativ wird auch einiges geboten, allerdings vermisse ich etwas die stilistische Vielfalt. Melodisches Zeug ist meiner Einschätzung nach eher selten. Als Fan kann man sich in Luxemburg keinesfalls beklagen, da wir gleich drei professionelle Konzerthallen haben, die auch gerne im Rahmen großer Tours besucht werden. Dabei kommt es gelegentlich fast schon zu einem Überangebot, welches zu Lasten der Lokalbands geht, die leider vermehrt ihr eigenes Ding in der Eckkneipe durchziehen müssen. Außerdem knabbern viele Bands noch am Sprung über die Landesgrenze, oder sie gehen diesen bewusst nicht an, weshalb sich die Line-Ups lokaler Konzerte oftmals stark ähneln. Einige Kollegen wie Sleepers' Guilt und Desdemonia übernehmen da aktuell eine wichtige Vorreiterrolle, indem sie sich stark darum bemühen, auch außerhalb von Luxemburg umtriebig zu sein.

Du hast ja mal gemeint, dass es dich nicht so begeistert, wenn ihr mit Dream Theater verglichen werdet. Ich gehe mal davon aus, dass es dir dabei weniger darum geht, dass du die Platzhirsche angreifen willst, sondern eher, dass es sich die Leute mit dem offensichtlichsten aller Vergleiche im Prog-Bereich zu leicht machen? Ich finde den Vergleich ehrlich gesagt auch wenig passend, da ihr in puncto Härte ja doch eine deutlich schärfere Schiene als DT fahrt.

Wir haben uns als Überbegriff halt eine Variation des Progressive Metal auf die Fahne geschrieben. Vor allem die bequemeren Schreiber greifen da also zum erstbesten Vergleich, auch wenn dieser grob unsinnig ist. Da kommt es dann oft zu komplett falschen Erwartungshaltungen, bei denen wir die Dummen sind. Persönlich finde ich Dream Theater gelegentlich ganz dufte, ein Angriff soll diese Aussage also keinesfalls darstellen, eher erkenne ich hier ein Musterbeispiel für Schreiber, die diese Tätigkeit besser niederlegen sollten. Auf der einen Seite schreiben ja nahezu alle aus idealistischen Beweggründen – man will seinen Beitrag zur Szene leisten –, manche bringen es aber dann nicht fertig, sich die nötige Zeit zu nehmen, um sich mit dem Material auch eingehend zu beschäftigen. Mit solchen Pflichtübungen ist niemandem geholfen. Auf der anderen Seite verstehe ich natürlich, dass das Überleben eines kleinen Magazins vom Output abhängt, und die Schreiber daher einem gewissen Leistungsdruck unterstehen. Die wenigsten Plattformen haben den Luxus, für jede Nische den richtigen Experten am Start zu haben.

Euer Videoclip zu ‚Here Dire Sacrifice‘ ist wirklich super gelungen, zumal ihr ja auch den alleine geplant und gestemmt habt. Kannst du dazu bitte ein wenig erzählen?

So ganz alleine sind wir da nicht vorgegangen, da uns mit Benedikt Dresen von Upstart Media ein sehr talentierter Videomacher unter die Arme gegriffen hat. Bevor wir 'Her Dire Sacrifice' geschrieben haben, gab es schon für einen anderen Song ein Video-Konzept, welches wir verworfen haben, kaum war 'Her Dire Sacrifice' fertig. Der Song hat sich musikalisch für einen Clip angeboten und behandelt noch dazu eine Schlüsselszene der Geschichte, die wir im Video neu aufgerollt und abstrahiert haben. Gedreht wurde über zwei Tage bei meinen Eltern in der Garage, wobei die Darsteller allesamt aus unserem Freundeskreis stammen und entsprechend ihrer Rolle im Video ausgewählt wurden. Es war ein ordentliches Stück Arbeit, da wir den ganzen Raum schwarz auskleiden, den gesamten Fußboden mit Erde und Blättern – elf Säcke, ganz trve im Wald gesammelt! – bedecken und die Requisiten in Absprache mit Benedikt heranschaffen mussten. Glücklicherweise hat sich auf dem heimischen Bauernhof auch vieles gefunden, das einem beim Videodreh gelegen kommt, darunter mehrere Windmaschinen und für jeden erdenklichen Zweck das richtige Werkzeug.

Die Frage nach den Einflüssen muss man ja bei euch gleich doppelt stellen – nach literarischen ebenso wie nach musikalischen…

Da gibt es hunderte. Wir hören intern sehr unterschiedliches Zeug, haben etwa die knallharte Meshuggah-Fraktion, den absolut schmerzfreien 80er-Thrasher (mit Schnauzbart!), Freunde von Drachen und Elfen und sogar einen, der mit Nu Metal kann. Vor allem sind wir alle ziemlich offen, sodass wir uns immer wieder Kapellen gegenseitig ans Herz legen und uns da keine potenziellen Inspirationsquellen verschließen. Literarisch verhält es sich ähnlich, auch da werden gerne Empfehlungen weitergereicht. Jüngst habe ich mich etwa recht viel mit Zeug aus Japan beschäftigt, darunter Visual Novels wie „Steins;Gate“ (wird so geschrieben) oder die Manga-Serien von Naoki Urasawa, für die sich unser Gitarrist Yann rasch begeistern ließ. Das Beispiel habe ich deshalb gewählt, weil es sich dabei ja um, für unsere Begriffe, eher spezielles Zeug handelt, dies aber gleich mit offenen Armen aufgenommen wurde.