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Nicht nächtens, sondern entweder am Nachmittag oder am frühen Abend bricht man am 3. Mai in der österreichischen Hauptstadt Wien auf, um das Tourpaket MGLA und REVENGE zu Gesicht zu bekommen. Warum eine solch kryptische Einleitung? Nun, in Wien kämpft man mit einer speziellen Situation – der oder die viellesende Metalhead dürfte mitbekommen haben, dass die Shows in München und Berlin abgesagt wurden, und zwar primär deshalb, weil sowohl Deus Mortem, die ursprünglich als Vorband eingeplant waren, aber schlussendlich von der Tour zurücktraten, wie auch MGLA selbst eine Nähe zur rechtsradikalen Szene nachgesagt wird. Die Bands bestreiten dies, die Kritiker und Kritikerinnen halten daran fest – jede/r mögen sich ein eigenes Bild machen und für sich selbst entscheiden. Faktum ist: Die Vorwürfe haben dazu geführt, dass in Wien zwar das Konzert nicht abgesagt wurde, aber die ursprüngliche Location – namentlich die „Grelle Forelle“ – den Gig nicht ausrichten wollte. Mutig wich man deshalb in den allseits bekannten Viper Room aus, der aber ein deutlich geringeres Fassungsvermögen aufweist, weshalb die ausverkaufte Show nicht einfach dorthin verlegt werden konnte. Stattdessen entschlossen sich MGLA und REVENGE schlicht zwei Shows in Wien zu spielen, und zwar eine, die um 16 Uhr startet, und eine, die um 20 Uhr loslegt – so können alle TicketkäuferInnen das Konzert wahrnehmen. Unglaublich, aber wahr – dieser logistische Spaß klappt tatsächlich, weshalb um Punkt 20 Uhr REVENGE auf der Bühne stehen und einen gut gefüllten Viper Room vorfinden.

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Anständige Szenekenner und –kennerinnen werden wissen, dass REVENGE live ein Trio darstellen, wobei Mastermind J. Read selbst keine Vocals übernimmt, sondern nur die Drums bearbeitet (und wie!), während Vermin (Gitarre) und Haasiophis (Bass) den Gesang übernehmen. REVENGE blödeln dann auch gar nicht lange rum, haben ihr Bühne mit dreimal demselben typischen REVENGE-Banner geschmückt und starten mit einer Alarmsirene in ihr 45-minütiges Set. Logischerweise macht man etwas Werbung für ihre 2018 erschienene MCD „Deceiver.Diseased.Miasmic“, was aber keinesfalls heißt, dass Klassiker à la ,Traitor Crucifixion‘ („Victory.Intolerance.Mastery“), ,Mass Death Mass‘ („Behold.Total.Rejection“) oder ,Altar Of Triumph‘ („Triumph.Genocide.Antichrist“) nicht auch zum Zug kämen. Auf Ansagen verzichten die Herren größtenteils, abgesehen von einem kurzen „We are REVENGE from Canada!“. Mehr braucht es auch nicht, Wien will weggeballert und nicht zugelabert werden! Bassist Haasiophis gibt sich dabei größte Mühe, böse ins Publikum zu schauen und zu grinsen, während sich Vermin etwas konzentrierter um das Gitarrenspiel kümmert und die Songs solide durchzockt. J. Read ist natürlich ein Hingucker: Wahnsinn, wie der Kerl die Felle bearbeitet, dabei locker wirkt und auf böse Art und Weise gute Laune verbreitet. Wie zu erwarten, haben MGLA viele Hipster angezogen, was dazu führt, dass nicht jede Person im Publikum etwas mit der Lärmwand von REVENGE anfangen kann. Das juckt die Fans selbst aber wenig und auch die Band zeigt deutlich, dass sie für ihre Fans spielen und für niemanden sonst. Zack, Bumm, Bäng – nach viel Headbanging und viel Gewalt ist dann auch Schicht im Schacht. Zugaben braucht kein Schwein, Publikumsinteraktion auch nicht – REVENGE verschwinden im Backstagebereich.

Wer die (kurze) Pause nutzt, um sich am Merchandise umzusehen, stellt fest, dass es von REVENGE schicke T-Shirts für 20 Euro sowie einen Hoodie zu kaufen gibt; musikalische Tonträger sind selbstverständlich auch verfügbar. MGLA fahren ebenfalls groß auf, haben ungefähr sieben T-Shirt-Motive dabei und dazu noch Merch zu ihrer Zweitband Kriegsmaschine, deren kürzlich veröffentlichtes Album „Apocalypticists“ man nun auch als LP ersteigern kann. Die Preise sind mit T-Shirts und Schallplatten für 15 Euro mehr als fair.

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Gegen 21:15 stehen dann MGLA nach einem kurzen, aber effizienten Soundcheck auf der Bühne und steigen ebenfalls ohne großes Rumgewichse mit ,Excercises In Futility I‘ in den Gig ein – dabei merkt man zwei Dinge: Erstens, viele Leute sind heute wegen MGLA hier und kennen sowohl die Riffs wie auch die Lyrics auswendig. Zweitens, nach Revenge MGLA zu sehen, ist ein harter Bruch. Auf einmal gibt es Harmonien und Melodien, wie soll man das verkraften? Ziemlich leicht, denn eigentlich dauert es nur zwei Minuten, dann haben einen die polnischen Schwarzwurzler in den Bann gezogen. Ihr Auftritt ist nahezu fehlerfrei und mit einem sinnvollen Spannungsbogen versehen, was Laune macht. Zwar zocken die vier Herren ihren Gig mit größtmöglicher Arroganz herunter und Frontmann M. hat sichtlich keine Lust, irgendetwas wie ein Entertainer zu sein. Aber genau das braucht die Black-Metal-Szene, wenn man von sinnlosen Inszenierungen à la Behemoth wieder wegkommen will, um tatsächlich etwas künstlerisch Nachhaltiges zu erschaffen. Fäuste fliegen jedenfalls durch die Luft, Haaren wirbeln durch die Gegend und wer sich nicht in klassischen Heavy-Metal-Elementen ausdrücken will, der beginnt zu tanzen. MGLA machen nahezu keine Sekunde Pause zwischen ihren Songs und knallen nach ,Excercises In Futility I‘ noch einen zweiten neuen Song, nämlich ,Exercises in Futility IV‘, raus, bevor man in die Vergangenheit wandert und ,Mdłości II‘ ausgepackt. Der Übergang klappt gut, aber das wahre Highlight folgt an vierter Stelle, denn es ist Zeit für ,With Hearts Toward None I‘ und schon nach den ersten Gitarrentönen geht das Publikum steil; man merkt, dass diese Langrille in der Szene den größten Rückhalt hat. Sichtlich angespornt durch den Aufschrei des Publikums zocken MGLA diesen mächtigen Track auch mit viel Schmackes und Leidenschaft herunter – vor allem Drummer Darkside wird im Laufe des Gigs immer leidenschaftlicher. Weiter geht’s mit „Exercises In Futility“-Songs, bevor ,With Hearts Toward None VII’ und ,Groza III’ einen noch einmal in die Vergangenheit entführen. ,Exercises In Futility V‘ beendet dann fast etwas unspektakulär ein mächtiges Set, das eine gute Stunde lang ist und eine eingespielte Band zeigt. Wenn die Kontroversen und der Ärger der Truppe zusetzen, hat man davon zumindest nichts gemerkt – man konzentrierte sich zu 100 % auf die Kunst, alles andere hatte keine Rolle und keinen Platz. Beeindruckt schwingt man sich um 22:30 Uhr aus dem Viper Room, in welchem noch eine andere Party stattfinden soll und macht sich auf den Weg zur direkten Aftershow-Party in den Escape Metalcorner. Wien halt, ÖsterreicherInnen halt, irgendwie ein Kosmos für sich selbst.