Traumhaftes Wetter, ein gut gefüllter Campingplatz und strahlende Gesichter läuten das 26. Protzen Open Air ein. Der starke Wind macht den Zelt- und Pavillonaufbau allerdings zu einer echten Herausforderung. Egal - die Dinger müssen stehen, bevor das Familienfest beginnen kann. Außerdem hätten sich viele über eine steife Brise gefreut, angesichts der großen Hitze. Doch das Wetter sollte nicht das einzige Problem bleiben – kriminelle Menschen und ekelhafte Typen tauchten auf. Doch dazu später mehr. Egal auch jetzt: Gesagt, getan, Zeltaufbau erledigt und ab aufs Gelände, zum Erdbeerbowle-Stand. Da am heutigen Abend die Hauptbühne noch jungfräulich bleibt, steigt die Party mit fünf Bands im Hangar.

DONNERSTAG:
Den Auftakt geben WAY2FAR aus Berlin. An der Mischung aus Melodic Death, Prog und einem Hang zum Stoner-Rock erfreut sich auch das Publikum. Die technische Versiertheit stellt die sympathische Truppe unter anderem mit `Devils Flame´ und `Circles Of Life´ unter Beweis. Nur schade, dass die bezaubernde Stimme der Sängerin Heike, die Keyboardparts und die melodischen Gitarrenriffs am Wellblech des Hangars zerschellen. Da müssten noch ein paar Knöppe am Mischpult gedreht werden, um einen guten Sound zu erreichen.
Mit dem gleichen Soundproblem kämpfen auch MY COLD EMBRACE, welche die Situation aber sehr gelassen nehmen. Kein Wunder, in 27 Jahren Bandgeschichte haben die Jungs bestimmt einige Hürden bewältigen müssen. Mit enormer Spielfreude und ansteckender sportlicher Performance, seitens des Gitarristen ziehen die Kasseler Herren das Publikum sofort in ihren Bann. Neuzugang, Sänger Sascha legt sich richtig ins Zeug und brüllt sich mit unbändiger Energie, bei seinem ersten Auftritt mit MY COLD EMBRACE bei `More Or Less´ oder `Seppuku´ die Seele aus dem Leib. Chapeau!
Nicht nur Singapur könnte von einem anderen Stern sein, auch drei Einwohner dieses Stadtstaates musizieren als wären sie nicht von dieser Welt. WORMROT – das Höllentrio, mit dem überirdischen Verständnis für ihre Instrumente, treibt so manchen Zuschauer Freudentränen in die Augen.
SPASM sind bekannt für ihren Porngrind und einem „Hauch von Nichts“ als Bühnenoutfits. Bevor der Klobürstenalarm eskaliert, bleibt nur noch die Option den gutturalen Klängen aus der Ferne zu lauschen.
INGE & HEINZ
Für einen fröhlich-bunten Abschluss des ersten Abends sind INGE&HEINZ mit ihrem Brutalhardschlager genau die richtige Wahl. Heute fehlt leider Augenweide Die Mark. Sie leidet weiterhin an den Folgen des vollen Körpereinsatzes vom letzten Gig. An dieser Stelle wünschen wir gute Besserung. Mit einem Koffer voller lustiger Requisiten starten INGE&HEINZ im Sinne des Arbeitsschutzes. Gitti K. legt einen wilden Pompons-Tanz hin und Der Alte lässt mit seiner Sammlung an außergewöhnlichen Kopfbedeckungen so manchen Hutmacher vor Neid erblassen. INGE&HEINZ präsentieren einen herrlichen Mix aus harten Metal-Klängen und witzigen Texten, während ein rosafarbener Flamingo-Schwimmreifen über die Köpfe der Anwesenden fliegt und in den ersten Reihen Eierlikör verteilt wird. Ein Highlight ist natürlich das `I Don´t Wanna Be Me´- Cover von Type O Negative im Berliner Dialekt und die Hommage an Rammstein mit `Der Schuh passt nicht´. Nach diesem Heidenspaß ist es an der Zeit den Abend mit Erdbeerbowle und Eierlikör ausklingen zu lassen.
FREITAG:
Der Freitagmorgen entpuppt sich für manche Besucher zum blanken Horror. In der Nacht haben sich irgendwelche Idioten Zugang zu einigen Zelten verschafft und den Schlafenden die Wertsachen geklaut. Immer wieder ereignen sich solche Vorfälle auf Festivals. Dieses Jahr hat es auch Protzen zum ersten Mal erwischt. Bitte, bitte liebe Leute - achtet auf euer Hab und Gut! Vielleicht sollten alle wieder ihre Brustbeutel aus Kindheitstagen hervorkramen.
Freunde der Hausmannskost - haltet eure Königsberger Klopse fest. ASSI ASSASSIN aus Berlin eröffnen mit ihrem lupenreinen, knallharten Thrash Metal die Hauptbühne. (An dieser Stelle bitte ich den Fehlerteufel aus dem Vorbericht zu verzeihen. Thrash wird natürlich mit zwei H´s geschrieben ;)) Die Jungs brechen mit `Pervitin´ den Sturm los und behalten dieses kraftvolle Getöse ihr gesamtes Set lang bei. Fronter STX performt wie ein Großer und begeistert mit seiner witzigen, erfrischenden Art das gut gefüllte Infield. Dieser Truppe gehört die Zukunft!
Positionswechsel im Hangar. 5 STABBED 4 CORPSES übernehmen den Startplatz von INHUMAN DEPRAVITY, da diese eine Fahrzeugpanne haben. Wer dachte, dass es die Seppel gar nicht mehr gibt, er irrt. Sie gambeln für Gore, hoffentlich niemand tanzt sich wirklich zu Tode, wenngleich die Mischung aus Brutal Death Metal und Goregrind nicht so soft ist, wie das Eis im viel zu früh ausverkauften Eiskaffee.
XICUTION
XICUTION bewegen sich nicht nur lyrisch in der Welt der Zombies, Frontmann Jano unterstreicht auch mit seiner blutigen Maskerade diese Thematik. Geradliniger, roher Zombie-Death Metal, der in die Magenkuhle geht. Ohne viel Schnickschnack knüppeln sich die Brandenburger mit `Zombie War´ oder `World Beyond´ in die Nackenmuskeln des Publikums.
INHUMAN DEPRAVITY sind wohlbehalten auf den Brettern des Hangars angekommen. Der Brutal Death Metal-Vierer aus Istanbul lässt etliche Kinnladen herunterklappen. Nicht nur wegen des brachial, technisch anspruchsvollen Feuerwerks, welches gerade perfekt durch die Halle knallt, sondern wegen Frontfrau Lucy Ferra. Diese growlt sich in den tiefsten Tönen in die Herzen aller Anwesenden.
SOUL GRINDER
Die Bremer Death-Metal-Musikanten SOUL GRINDER beweisen dann, dass auch ein Trio mächtig Staub aufwirbeln kann. Wenngleich es vielen zu heiß ist und sie sich lieber abwechselnd das meistens kalte Bier und die Erdbeerbowle mit (manchmal) gefrorenen Beeren reinkübeln. Merke: Bei Hitze muss man viel trinken! Und den Hymnen vom Abgrund lauschen! Die Norddeutschen bewegen sich im Grenzgebiet von Death und Black Metal – und dort scheinen sich auch die nicht weniger hitzeresistenten Protzen-Besucher aka Irre begeistern zu können. War cool. Also im Sinne von gut.
Angst? FEAR CONNECTION? Im Hangar? Keine Ursache! Und weil die armen Bremer ja immer sparsam sein müssen, bringen SOUL GRINDER gleich nicht Landsmänner mit in die Prignitz. Bremen, Brandenburg? Hauptsache Death Metal! Die Angsthasen verknüpfen Death, Thrash und Crust und sind live ziemliche Tiere. Keine Ahnung, wie die das machen, aber es ist heiß. Wie die Temperaturen. Raus anne Luft, äh innen Schatten, äh. Ja.
TORTURIZED
TORTURIZED liefern sauberen, druckvollen und abwechslungsreichen Death Metal. Der Schwermut von `Maelstrom´, die melodischen Parts in `Caustic´ und die Wut von `Omnivore´ spiegeln die ganze Bandbreite des musikalischen Könnens der Magdeburger wider. Das geniale Zusammenspiel, sowie die energiegeladene Performance des Shouters Lu, werden mit frenetischem Applaus gefeiert. Spielfreude pur – grandioser Gig!
Ein PIECE of Stoner, Sludge und Doom Metal im Hangar, tja. Eigentlich ist das ja immer gut, ob mit „ie“ oder „ea“, aber aufgrund der Verlegungen, Verlängerungen, Irrungen und Wirrungen um Durst und Heimweh und alles, findet keiner von uns die Berliner Band – nur aus der Ferne sind irgendwie gedämpfte Töne zu vermerken. Ob das am Wetter liegt, am PIECE oder beides? Dem Vernehmen nach kommt auch dieser musikerotische Farbtupfer gut an.
HARMONY DIES
Kaum zu glauben, aber leider wahr! DEMONICAL haben eine Panne mit ihrem Tour-Bus. Der gab zwar in Erfurt den Geist auf, aber das Busunternehmen offerierte keine Möglichkeit die Jungs anders und pünktlich zu holen. Ein späterer Samstag-Slot war aufgrund der gebuchten Rückflüge ebenfalls nicht möglich, geschweige denn, kurzfristig eine Ersatzband zu organisieren. Somit nehmen die Berliner Urgesteine HARMONY DIES den Platz auf der Hauptbühne ein und ballern gut gelaunt, in der sengenden Nachmittagssonne, ihr Set in die Menge. Nach einem gemeinschaftlichen „Haaaalloooo“ aus dem Publikum, verschlägt es dem sonst so redseligen Frontmann Keks sogar die Sprache. Sorgen macht allerdings seine Gesichtsfarbe, welche von Song zu Song immer mehr nach After Sun Lotion schreit. Und trotz (oder gerade mit?) Sonnenstich liefern die Unharmonischen den besten Auftritt, den der ein oder andere gesehen hat. Kein Wunder, dass die Männer um die grüne Kutte einen Deal bei Apostasy ergatterten. Wohlverdient, wie die neuen, gespielten Songs vermuten lassen. Aber hallo, sozusagen.
DEHUMAN REIGN um Ex-Harmony-Dies-Lulatsch Uuuuuuulf setzen dann noch eenen druff, wa. Und sind selbst höchst begeistert: Der Gitarrist schwärmt: „Ja, das war `nen Kracher!“ Gefühlt stehen ganz Berlin und Brandenburg vor der Bühne, echt cool. „Das war wohl eins der dicksten Dinger, die wir je gespielt haben.“ Ist aber auch geil: Urst tight zimmern die Berliner ihre gar nicht mal so unkomplizierten Weisen auf die staubig-sonnige Wiese, dass es eine wahre Pracht ist. Als da sind: ,Stench Of The Infected‘, ,Kill To Live‘, ,Let Chaos Reign‘, ,Drown in Agony‘, ,Perish Or Subdue‘, ,Obscure Affliction‘, ,Post-Traumatic Suicide Syndrome‘, ,Inclusio Fetalis‘, ,Recipients Of The Abominable‘. Übrigens: Auch die Hamburger sind begeistert! Nämlich.
SOULBURN
Bands aus den Niederlanden gehören genauso zu Protzen, wie die ultimative Erdbeerbowle. SOULBURN zählen eigentlich zu den Death-Veteranen des Nachbarlandes. Seit der Neugründung im Jahr 2013 machen sich aber auch Doom und Black Metal-Einflüsse, sowie ein Hauch von Bathory, bemerkbar. Besonders `Shrines Of Apathy´ kommt so episch rüber, dass sich die Erpelpelle auf dem ganzen Körper verteilt. Knaller-Sound, melodische Riffs, hämmernde Drums und die sensationelle Songauswahl, lassen SOULBURN zu einem echten Erlebnis werden. Als dann noch der nostalgische Kracher `Crypts Of The Black´ übers Areal hallt, gibt es im Moshpit kein Halten mehr.
Das gab es schon vor seinem Auftritt nicht mehr bei der „Brutz und Brakel“-Delegation. Denn entgegen anders lautender Gerüchte eines Berliner Korrespondenten-Studios war es mitnichten Bier. Denn Marcus und Co. baden im Kaffee (in dem aber viel Likör schwamm). Und Herr Marth macht erneut aus seiner Begeisterung, bei DEPRESSIVE AGE mitzujökeln, keinen Hehl. Eine Verzückung, die der Autor dieser Zeilen schlichtweg nicht teilen kann, obwohl er es ehrlich versuchte. Er weiß um die Bedeutung der Kapelle für viele – aber der Lubitzkische Gesang ist ihm zu eigen, die Musik zu verquer. Das Wetter zu warm, die Kehle zu trocken, was weiß er schon. Es gibt aber auch viele Leute, die gehen in den progressiven Klängen der ostdeutschen Trendsetter mehr als auf. Und sind begeistert von Songs wie, ,Lying In Wait‘ und Co. Die Tasse Tee für den Autoren dieser Zeilen kam aber anschließend.
ASPHYX
Das zweite niederländische Paket ASPHYX gehört ebenfalls zur alten Garde der Szene. Trotzdem geben sich Martin van Drunen und seine Mannen wie wildgewordene Jungspunde auf der Bühne. Routiniert, kraftvoll schmettern ASPHYX mit `Deathhammer´, `Division Brandenburg´ oder auch `The Nameless Elite´ einen Knaller nach dem anderen in die ausrastende Meute. ASPHYX sind Kult, ASPHYX machen Spaß, ASPHYX sind einfach ASPHYX. Und vor allem: Sie sind einfach richtig, richtig gut. Nicht wenige sprachen von der Milchkann, an der die Band stets spielt, man habe das schon zig Mal gesehen und so weiter und so fort. Aber: Legen die Käsköpp los, rastet der Piefke aus. Geil war’s!
Was man über DOSTULATA nur zum Teil sagen kann. Zwar ist es ein innerliches Sackhüpfen, Dr. Pest auf der Bühne zu sehen, stets grinsend, noch dazu mit Reiter-Gründungsmitglied Skjell. Und dann noch die alten Stücke der APOs, die sie selber auf den Subway-To-Sally-Mainstream-Harz-Open-Airs verständlicherweise weniger spielen… Nur: Es ging nix mehr bei vielen, bei den Autoren auch kaum noch. Ob das am gebeutelten Zustand der Zuschauer selbst lag oder an der Klasse der Band? Immerhin ergötzen sich unerschütterliche Freaks im Hangar an den Titeln der ersten drei Reiter-Scheiben und lassen sich die Seele erhellen. Mit alles. Smellt es wirklich nach Death oder war ich da schon ,Gone‘?
SAMSTAG:
Für ein vormittägliches Hit-Frühstück sorgen TRASHBEAT im Hangar. Leider locken die Vollblutmusiker nicht allzu viele Morgenmuffel aus ihren Zelten. Vielleicht wäre der Auftritt auf der Hauptbühne effektiver gewesen.
MASSAFACTION
Diese entern nun MASSAFACTION! Mit ihrem vor kurzem erschienenen Debüt „Downfall Of Trinity” sorgten die Berliner für einige Lobeshymnen. Feinster Old School Death Metal, der zu keiner Sekunde altbacken klingt und live genauso hervorragend rüberkommt. Ehrlich, präzise, mit voller Wucht und gaaanz viel Groove wird der Nackenmuskel-Frühsport eingeläutet. Ein phänomenaler Auftakt für den leider schon letzten Tag des Festivals.
Eine Black Metal Band auf dem Protzen Open Air ist schon etwas ungewöhnlich. AKANTOPHIS jedoch locken mit ihrer Mischung aus traditionellem und modernem Schwarzmetal etliche Neugierige in den Hangar. Die teils poetisch verstörenden Lyrics werden gekonnt in eine ebenso verstörende Atmosphäre gepackt. Die dunklen Herren aus dem Harz spielen sich einmal durch ihr komplettes Album „Erneuerung” und hinterlassen eiskalte Schauer vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Bei dieser Hitze hat der Auftritt doch etwas Erfrischendes.
FULL ASSAULT
Stolz wie Bolle sind FULL ASSAULT aus Schwerin allemal, die Bretter von Protzen zu erobern. Das zeigen sie auch - mit einer unglaublichen Thrash-Walze, bei welcher sofort der Funke überspringt und für weitere sportliche Aktivitäten in den Reihen sorgt. Das Dreiergespann, allen voran Fronthüne Robsess zieht alle Register, um den frühen Nachmittag mit `Apocalyptic World´ oder `War-Blooded´ in eine Thrash-Sause zu verwandeln.
RECKLESS MANSLAUGHTER verwandeln den proppenvollen Hangar in einen Hort explosive Aggressivität, energisch, aber freundlich. Sonne, Mond und Sterne – auch derbster Death kommt aus Herne. Sehen die Hangaristen ähnlich und feiern derart, dass es des Autoren Versuch, in den Hangar vorzudringen, scheitern lässt. Macht aber nix, es sind noch Erdbeeren da. Die sind gesund und RECKLESS MANSLAUGHTER auch von draußen richtig geil.
TEMPLE OF DREAD
Die erste Death-Metal-Super-Group aus Norddeutschland! Bünne bekam `ne Fähre von Spiekeroog und schaffte es im Gegensatz zu stolzen Wikingern, im Rhinluch vor Anker zu gehen. Zudem hat er ein paar echte Nord-Ottos mit. Sound-Fabrikant Uken sitzt anne Töppe, Jens von Slaugherday steckt seine Finger in die Ohrenwunden der Zuschauer, am Bass sorgt Markus Weckermann (Ex-Sudden Death) hippidesk für Amüsemeng (obwohl die Band selbst dem Vernehmen nach gar nicht mal so d’accord ist mit der abenteuerlichen Farbauswahl der Klamotten - rot, hellblau, pink – des Tieftöners und mit dessen Ausflügen als Anführer des Circle Pits). Was soll’s, den Fans gefällt es mega. TEMPLE OF DREAD spielen einen bemerkenswerten Gig. Richtig gut. Muss man ma mehr hören.
35 Minuten PURE MASSACRE! Erstaunlich, mit welcher Spielfreude die Sachsen-Anhaltiner im Hangar loslegen, aber sie haben auch eine recht große und vor allem sehr loyale Fanbase in der Blechbüchse. Forever Lost sind die Old-School-Deather jedenfalls nicht.
WRETCHED FATE
Warm wird es auch bei WRETCHED FATE, den Schweden aus Orsa, Dalarna. Stört vor allem Basser Robin Magnusson null. Er bangt mit hochrotem Kopf, als sei es so kalt wie auf dem Eis bei Brynas IF vom bekanntesten Sohn der Heimatstadt, dem Eishockey-Profi Jonathan Granström. Erstaunlich übrigens ferner, wie gut der Sound im Hangar am Samstag klang – ein Plus, das vor allem Ende des Festivals für Freudentränen und Gänsehaut sorgen sollte.
FATAL EMBRACE haben mit „Seventh Sadistic Serenade“ ein Album am Start, dass Destruction und Sodom mindestens das Wasser reicht, die Blaupausen aber eigentlich sogar abhängt. Die Berliner um Urgestein Heiländer überzeugen auf ganzer Linie. Postmortem-Basser Thilo treibt die Kollegen mit Engelsgeduld an den Saiten und Ultra-Coolness im Gesicht nach vorn. Und dort steht oder wandert er umher, der Gründer dieser Thrash-Legende. „Auf dem Protzen Open Air zu spielen, ist was anderes als immer die Frau zu verkloppen“ haut der Sänger auf den Putz (der übrigens auch in Protzen war) – und gröhlröhrt-grunzt sich durch die gesamte Bandhistorie bis in die Gegenwart. Das Band überzieht, dem zahlreich anwesenden Publikum gefällt auch das abschließend Rose-Tattoo-Cover „Nice Boys“. Obwohl eigentlich ganz wenige anwesend waren – also hübsche Jungs.
BERZERKER LEGION
Die All-Star-Combo BERZERKER LEGION gehören definitiv zu einem der Highlights an diesem Wochenende. Mit unglaublicher Coolness trotzen diese Berzerker der Unbarmherzigkeit der Sonne und zeigen mit dem Opener `Chaos Will Reign´ gleich mal, wo der Hammer hängt. Und dieser Hammer ist gewaltig. Besonders die melodischen Passagen erinnern an die alten Zeiten von Hypocrisy und Dark Tranquillity, was nicht zuletzt daran liegt, dass BERZERKER LEGION genau diese Ära mit ihrer Mucke wieder aufleben lassen wollen. Vielen Dank dafür!
ABROGATION servieren melodischen Death Metal, der 2025 weniger in Protzen auftaucht. Auch die Keyboardklänge stören nicht weiter, die Arme gehen hoch, die Stimmung ooch. Die Magdeburger verstehen ihr Handwerk des Todes und beschließen vorerst das düstere Treiben im Hangar – bis zum absoluten Höhepunkt ganz am Ende.
TORTURE KILLER
Glatzenalarm auf dem Protzen Open Air! Aber keine Angst, keine Rechten stürmen das Dead-Lands- Gelände. Sondern TORTURE KILLER. Die ausnahmslos haarlosen Finnen (also auffem Kopp) kamen alles andere als blass herüber. Mit welcher Energie die Skandinavier ihre Birnen bangen, das verlangt enormen Respekt. Dagegen wirkt das früher als spektaküläre Amon-Amarth-Propeller-Banging wie einstudierte My-Style-Rocks-Plastik. Suomi, was `ne Energie!. Bei aller Brutalität haben die Mannen um den röhrenden Elch Pessi (wenn er es denn noch ist) vereinigt die ehemalige Obi-Coverband finnisch-asoziale Gewalt mit Six-Feet-Under-Groove ohne Grasdampf. Was für ein Gig, der immer mehr Leute vor die Bühne zieht. Die müssen mal wieder `ne Pladde machen! Perkele, ihr haarlosen Friseure! Was für ein Auftritt, genau der richtige vor der unsäglichen Band, die folgen sollte (was natürlich alle anderen anderes sahen ;-) )!
So wie der weibliche Autorenpart dieses Berichtes :-) Also, Leute - Lust auf gemeinschaftliches Jumpen, Motherfuckers? Diese Frage müssen EKTOMORF kein zweites Mal stellen. Von Beginn an tobt ein Beben über den Platz, welches bei dem Klassiker „I Know Them“ die Richterskala nochmals hochschnellen lässt. EKTOMORF grooven sich quer durch ihre Diskografie und stellen unter anderem mit `Heretic´ das gleichnamige neue Album vor. Der charismatische Kopf Zoli schreit bei `Dear God´, einem weiteren Neuling, seine ganz persönliche Wut in den Himmel. Die Menge tobt, jumpt, streckt die Fäuste in die Luft und wird zu guter Letzt in die Knie gebeten, um auf Kommando gemeinsam in die Höhe zu springen. EKTOMORF wirbeln nicht nur jede Menge Staub aus, heute sind sie eine absolute Macht!

DECAPITATED
Macht Macht Macht??? Was das ist, sollten die beiden abschließenden Formation beweisen. Ohne durch die Gegend hüppeln und die ganze Soulfly-Nachäfferei. Die in ihrer Karriere so gebeutelten Polen DECAPITATED beweisen erneut, wie fett, tight, hart, auf den Punkt Death Metal auch in der komplizierteren Variante sein und wie sehr es auch beim einfachen Zuschauer ohne Raketenstudium landen kann. Vorher zweifelten wenige am Headliner-Status von DECAPITATED. Geht eine Kerze anzünden für Vogg in Krosnoi! Aber: „Last Supper“? Von wegen!
Denn was SPEARHEAD abziehen, spottet jeder Beschreibung. Am Eingang des Hangars steht das gerührte Veranstalter-Pärchen, wie passend, um sich zu bedanken. Vor allem: Fünf Minuten vor der Zeit, ist des Deathers Pünktlichkeit. Denn der Hangar füllt sich mit der Zeit zum Bersten, die Ludt brennt ehedem. Denn von ,Mercenary‘ bis zum Ende frönen SPEARHEAD der besten Band der Welt, Bolt Thrower. Auch wenn der lustige Fronter zu viel redet (nur gute Sachen indes), die Jungs lange nicht so gut sind wie das Original (was ja auch gar nicht geht) und Jo und Co. nun mal nicht da sind, so liefern einen Auftritt, der nicht nur das Protzen Open Air 2025 standesgemäß beendet, sondern eben auch Emotionen weckt, die ihresgleichen suchen. Diesen Abschluss sollte es jedes Jahr geben. Weil, wie Johannes nun mal richtig bemerkt: ,Cenotaph‘ mit dem besten Riff des Death Metal ist die Essenz des Death Metal!
Ein gelungenes Fest mit guter Mucke, viel Erdbeerbowle, leckerer Hausmannskost, fairen Preisen, entspannten Besuchern und einer einmalig herzlichen Crew! Die paar asozialen Subjekte vergessen wir ganz schnell und hoffen, dass sie nie wieder kommen. Danke an die Veranstalter, dass ihr trotz vieler Schwierigkeiten inklusive mehrerer Bandausfälle, alles so lässig hinbekommen zu haben scheint. Behaltet den Spirit! Nur die Kaffeefrau muss mehr mitbringen;-)! In diesem Sinne - bis zum nächsten Jahr!
Manon Tolg und Bruno Kaiser