BIOHAZARD, LIFE OF AGONY, LYLVC @ Backstage, München – 22.03.2025
Schon bei der Fahrt in die Bayerische Landeshauptstadt, ist die Vorfreude nicht nur beim Rezensenten groß. Eine Ausverkaufte Show mit zwei legendären Brooklyn-Hardcore/Crossover-Bands, welche allen Kids der 90s Freudentränen in die Augen treibt. Mit dem Versprechen einer Oldschool-Setlist und den Großmeistern BIOHAZARD in Originalbesetzung. Das Echo der vorherigen Deutschland-Shows war bereits sehr euphorisch und positiv. Und um noch einen Schreiber-Kollegen zu zitieren: „BIOHAZARD haben wieder richtig Bock und eine tolle Chemie untereinander. Die haben ihren dritten Frühling“.
Das große Backstage-Werk mit dem beliebten Treppenrand platzt bereits vor Konzertbeginn aus allen Nähten. Auffällig ist, dass heute eine recht große Alters-Bandbreite anwesend ist. Von Teens/Twens welche die Bands heute wohl das erste Mal sehen – über Zuschauer in den Dreißigern als auch der dominierenden Oldschool-Fraktion mit einem Alters-4er/5er vorne. Bevor aber kollektives Ausrasten angesagt ist, müssen wir uns aber leider noch durch die Show einer völlig unpassenden Vorband kämpfen. Sorry aber ist so! LYLVC ist eine moderne Ami-Band die Rock, Rap und Elektronische Elemente kombiniert. Die North Carolina Formation wird von einem meiner Wingmen als „Limp Bizkit für Arme“ bezeichnet. Und dem ist leider zuzustimmen. Da passt es auch ins Bild, dass heute `Papercut` gecovert wird. Hippe bunte Outfits und Glam (wie in deren Videos), eine völlig konstruierte und affektierte Bühnenshow und jede Menge Einspielungen vom Band. Da hilft es auch nicht, dass der gute Billy-Bio vor Beginn noch eine Showmaster-Ansage gemacht hat. Die Hardcore-Puristen kann man mit sowas nicht wirklich gut anheizen. Daher ist heute Abend wirklich nur Höflichkeits-Applaus drin. Ein „stets bemüht“ kann man LYLVC aber dennoch nicht absprechen. Vor der richtigen Zielgruppe wird man anhand gespielter Hits wie `Into Nothing` sicherlich mehr punkten können.
Als nächstes dürfen LIFE OF AGONY die Bühnenbretter entern. Obwohl die Band Live als auch in Studio-Disziplin immer mind. gut ablieferte, hatte man in den letzten 15 Jahren tendenziell das Gefühl, dass die Luft etwas raus ist und der alte Biss der Frühphase abhandengekommen war. Heute sind die Amis aber wie ausgewechselt und gehen gleich vom Opener `River Runs Red` an mit einer Motivation, Energie und Drive zu Werke, die man länger nicht gesehen hat. Sänger Keith Kaputo transferierte bekanntlich einige Zeit zur Frau Mina und jüngst wieder zurück zum Ursprung. Irgendwelche Transgender-Statements und Wertungen hierzu lassen wir bewusst außen vor. Ebenso eine Kommentierung zu einigen jüngsten Trump-Statements von Keith. Traditionalisten freuen sich jedenfalls über die alte Bühnen-Aura und einen Sänger der mit Herzblut, Bock und Inbrunst Klassiker wie `This Time` wirklich ergreifend singt. Mit `Bad Seed` und `Respect` werden gleich zwei weitere Stücke vom Debüt hinterher geschoben. Bassist Alan Robert sieht mit seinem schwarzen Outfit und dem Hut ein bisschen wie ein cooler Mafioso aus und gibt wie eh und je die dauergroovende Rampensau. Hinter dem Drumkit sitzt seit 2018 die 41-jährige Veronica Bellino, der man einen höllischen Punch und eine sehr sympathische Bühnen-Aura attestieren kann. Neben Mr. Caputo ist aber der größte Blickfang des Abends aber Gitarrist Joey Z. Dieser ist heute mit einem ultra-fetten Gitarren-Sound gesegnet und legt eine leidenschaftlich-energetische Performance hin als gäbe es kein Morgen. Nicht nur während dem weiteren „River Runs Red“ Stück ´Method of Groove` und `Lost At 22`, lockt er so insbesondere die ersten Reihen vor der Bühne völlig aus der Reserve. Die Publikums-Resonanz ist heute wirklich enthusiastisch! Wo man hinsieht wird gepogt, gebangt oder euphorisch mitgesungen. In letzterer Disziplin ist der Herzschmerz-Hit `Weeds` wohl der Peak des heutigen Abends. Mit dem genialen `I Regret` wird anschließend ein zweiter Track vom unterbewerteten „Ugly“ Album zum Besten gegeben. In einer Ansage erzählt Joey Z von seiner Touring-Zeit mit Carnivore, welche 2006 auch in das gleiche Venue führte - und widmet Peter Steele (R.I.P) einen Song. Da passt es auch richtig gut ins Bild, dass heute Abend auch ein sehr lässig perfomtes Cro-Mags Cover `We Gotta Know` gezockt wird. Nun ist der Moshpit optimal auf den Headliner vorbereitet. Ehe es soweit ist, bringen LIFE OF AGONY das Backstage aber noch mal eben mit den Übersongs `Through And Through` sowie `Underground` weiter zum Kochen. Besser hat man diese Band wirklich selbst zur Anfangs-Blütezeit kaum sehen dürfen. Top!
Manch andere Band hätte nach der vorherigen Machtdemonstration von LIFE OF AGONY nun einen schweren Stand. BIOHAZARD müssen sich hier hingegen keine Sorgen machen und leisten sich den Luxus, mal eben gleich mit dem genialen Klassiker `Urban Discipline` in das Konzert einzusteigen. Die Crowd dreht ohne Anlauf-Phase gleich völlig am Rad und während dem ohne Pause nachgelegten `What Makes Us Tick` hüpft, pogt und singt wirklich bereits der Großteil des Backstage Werks. Es lässt einem das Herz aufgehen zu sehen, wie toll die Chemie dieser Musiker untereinander wieder ist. Wie viel Bock sie haben und wie in Songpausen, die von Hiphop-Tunes untermalt werden, Blicke und Grinser untereinander ausgetauscht werden. Bassist und Sänger Evan Seinfeld ist in Top-Form, durchtrainiert und agil wie eh und je. Und es dürfte nicht nur an der zeitweiligen Spyder Jonez Pornokarriere gelegen haben, dass er junggeblieben und kerngesund rüberkommt. Mit wie viel Inbrunst er `Wrong Side Of The Tracks` shoutet, geht einem in Mark und Bein. Das Aggressions-Level im Moshpit wird dann mit dem unglaublich-geilen `Shades Of Grey` weiter angehoben. Der zwischenzeitlich ausgestiegene Original-Klampfer Bobby Hambel hatte phasenweise gesundheitlich zu kämpfen. Heute Abend steht ein sehr charismatischer, immer wieder mit den ersten Reihen Blickkontakt suchender, bodenständiger Musiker auf der Bühne. Bobby veredelt nicht nur Songs wie `Five Blocks To The Subway` und `Each Day` eindrucksvoll mit bockstarken Leads – und geht wirklich konstant völlig aus sich heraus. Hier gibt jemand wirklich alles was er hat – und ein dankbares Publikum spürt dies! BIOHAZARD haben heute Abend einen langhaarigen Metal-Kollegen, der am Bühnenrand platziert bei Refrains immer wieder fette Gangshouts beisteuern darf. Dies gibt Hits wie `Black And White And Red All Over` noch schönen zusätzlichen Schub. Und Rampensau Billy? Die Koryphäe kann wie vor 30 Jahren auf der unvergessenen Dynamo Show, unglaublich viel Power seine Gesangs-Performance legen. Dadurch springt einen die Performance von `Business` förmlich an. Wow! Mit dem Altstück `Victory` kommt dann auch endlich das legendäre Debüt zum Einsatz. Dieses Riff –diese Erinnerungen! Ein weiterer magischer Moment, welcher Altfans echte Gänsehaut beschert. An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass Drummer Danny Schuler auch in gesetztem Alter sein Drumkit nach allen Regeln der Kunst verprügelt und bzgl. Tightness und Groove wirklich einem Schweizer Uhrwerk gleicht. Nach dem Smasher `Love Denied` von „State Of The World Address”, geben BIOHAZARD dann das obligatorische Bad Religion Cover `We`re Only Gonna Die` zum besten. Ein wunderschöner Circle-Pit ist dabei vorprogrammiert. Nach `Tales From The Hardside` folgt die erste große Überraschung des Abends. `Forsaken` wird als neuer, mit Spannung erwarteter neuer Song angekündigt. Dieser hat eine Menge „Urband Discipline“ Spirit – fährt aber andererseits im Mittelpart aber auch dreckige Groove-Parts auf, welche auch auf „Mata Leão“ hätten stehen können. Sehr vielversprechend! Zum Klassiker `Punishment` gibt sich LIFE OF AGONY Powerhouse Joey Z als Gast die Ehre, ehe ganz zum Schluss während der Hymne `Hold My Own` alle letzten Dämme brechen. An dieser Stelle ist auch das Limit von neutraler Berichterstattung erreicht. Denn der Rezensent ist in diesem Moment wieder ein 14-jähriger Teenager, welcher sich mit Freudentränen in den Augen mit einem seiner allerbesten Jugendfreunde in den Armen liegt und den Refrain mit Inbrunst heraus shoutet. Ein unglaublich intensives, von positiver Aggression und Spirit getränktes Konzert, welches noch lange nachhallen wird. DANKE BIOHAZARD – HC4L!
Text: Markus Wiesmüller
Fotos: Andreas Krispler