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Bei den Postrockern von GRAVE PLEASURES ist es noch relativ angenehm, da die Halle um 19.30 Uhr geschätzt nur zu einem Drittel gefüllt ist. Dass das im letzten Jahr erschienene „Motherblood“-Album einen durchschlagenden Erfolg zu verbuchen hatte äußert sich auch in den Publikumsreaktionen, die für einen Opener schon äußerst gut ausfallen. An einem heiß-schwülen Hochsommertag einen Abend mit derlei heftiger Musik eher ruhig-gemächlich beginnen zu lassen ist vielleicht nicht die schlechteste Wahl. Den hohen Außentemperaturen trotzend liefern GRAVE PLEASURES dennoch eine agile, enthusiastische Show ab. Leider hat die Musik auf den Schreiberling nach ein, zwei Songs bereits eine etwas einschläfernde Wirkung. Denn streng genommen passiert hier nix Neues: Ähnliches hat man bereits schon in den 80ern von einschlägigen Wave-Größen gehört. Die Jungs wissen zwar, wie man einprägsame Songs arrangiert, letzten Endes passiert schlichtweg zu wenig, um wirklich vollends zu überzeugen. Dennoch gibt es zugegebenermaßen weitaus schlechtere Opener, auch an einem Abend, der im weiteren Verlauf von durchgeknalltem Industrial Metal und Hardcore geprägt ist. GRAVE PLEASURES sorgen in letzter Konsequenz mit einem beherzten Auftritt für eine gute Einstimmung auf das, was noch kommen mag.

Absolutes Kontrastprogramm dann bei den darauf folgenden CONVERGE: Das Quartett macht nach einem düster-doomigen Beginn ordentlich Dampf. Dabei tut sich einmal mehr der charismatische Sänger Jacob Bannon in Sachen Agilität und Stage-Acting hervor. Der stilecht in einem „Iron Fist“-Shirt gekleidete Frontmann fegt wie ein besessener Derwisch über die für ihn wohl viel zu kleine Bühne. Gitarrist Kurt Ballou agiert dabei als ruhiger Gegenpol und sorgt mittels sphärisch anmutenden, schrägen Akkord- und Leadfolgen passend zum Gesang für eine zerstörerisch-avantgardistisch Stimmung. Alle Achtung dennoch, dass Ballou trotz seiner Sehnenscheidentzündung nach wie vor auftritt! Das rhythmische Fundament bilden Bassist Nate Newton und Schlagzeuger Ben Koller. Insbesondere Letztgenannter verdrischt sein Instrument mit nahezu beängstigender Perfektion. Hier sitzt definitiv jedes Break, jeder noch so verspielte Rhythmus kommt absolut tight rüber! Selbst wenn Koller hinter dem Drumkit abgeht wie Zäpfchen wirkt sein Spiel auf Außenstehende unglaublich leicht, locker und versiert. Verständlicherweise konzentriert sich die Setlist in erster Linie auf die aktuelle Scheibe „The Dusk In Us“: Während 'Reptilian' auf dem Album den Schlusspunkt markiert, bringen CONVERGE das Stück gleich als Opener. Darüber hinaus gibt’s dann noch 'A Single Tear', 'Under Duress', 'I Can Tell You About Pain' und 'Trigger'. Nach dem extremen 'Concubine' vom wegweisenden „Jane Doe“-Album verabschieden sich die Amis und hinterlassen ein rundum zufriedenes, ausgelaugtes Publikum. Dieses hat CONVERGE einen adäquaten Empfang bereitet, feiert die Band trotz Saunatemperaturen mit Moshpits ab als gäbe es kein Morgen mehr. Selbst eher Metal-affine Besucher, die normalerweise nicht allzu viel mit modernerem Hardcore zu tun haben, werden allein schon von der ungemein inspirierenden Musikalität der Truppe, der schieren Wucht, Brachialität und Aggressivität des Quartetts überzeugt und schlussendlich weggeblasen.

Im direkten Vergleich zu einer solch energiereichen Performance wirkt der stoisch aggressive, kriechende Midtempotrack 'Twilight Zone' zu Beginn des MINISTRY-Auftritts fast schon etwas zahm. Nach dem 8-Minuten-Stück folgt sogleich mit dem ähnlich ausufernden wie monotonen 'Victims Of A Clown' ein weiterer Song vom aktuellen „AmeriKKKant“-Album. Ein ungewohnt verhaltener Beginn von Al Jourgensen & Co., der aber dennoch irgendwie Stimmung und Lust auf das was noch folgen mag macht! Bei 'Punch In The Face' von der Vorgängerscheibe „From Beer To Eternity“ malträtiert der charismatische Frontmann eines der an beiden Seiten der Bühne aufgestellten Hühner mit Original-Trump-Frisur und durchgestrichenen Hakenkreuzen auf dem Bauch. Der amtierende Präsident der Vereinigten Staaten kriegt mal wieder ordentlich sein Fett weg, schon beim Intro 'I Know Words' wird aus „We will make America great again“ ein „We will make America stupid again“. Gitarrist Cesar Soto trägt zu Beginn eine Guy-Fawkes-Maske und auch sein Sechssaiter-Kollege Sin Quirin tritt zunächst mit Tuch vor der unteren Gesichtshälfte in Erscheinung. Mit der vom Publikum abgefeierten Trilogie 'Señor Peligro', 'Rio Grande Blood' und 'Lieslieslies' schmettern MINISTRY auf inbrünstige Art und Weise gleich drei Stücke der 2006er Anti-Bush-Platte. Dem schließt sich mit 'We're Tired Of It', 'Wargasm' und 'Antifa' ein weiteres Trio der aktuellen Scheibe „AmeriKKKant“ an. Bei letztgenanntem Stück entern ein Herr und eine Dame die Bühne, die vollvermummt Fahnen mit der Aufschrift „Antifascist Action“ schwenken. Die meisten Blicke zieht einmal mehr Al persönlich auf sich: Das Industrial Metal – Urgestein zeigt sich trotz seines Alters und eines ausschweifenden Lebensstils sehr gut in Form und reißt den Auftritt routiniert runter. Außer dem variantenreichen und durch allerlei Effekte aufgepeppten Gesang jagt Al zudem eine Mundharmonika durch einen Verzerrer oder greift zur E- oder Slide-Gitarre. Während Bassist Tony Campos beständig in seinen Bart grinsend sichtbar Freude an dem Auftritt hat, agieren Schlagzeuger Derek Abrams und Keyboarder John Bechdel nahezu unbemerkt im Hintergrund. Der Star der Mannschaft ist ohnehin natürlich „Uncle Al“: Manchmal sucht Herr Jourgensen sogar den direkten Kontakt zum Publikum, treibt Schabernack oder setzt sich auf die Monitorbox, um ein paar Sekunden lang kurz durchzuschnaufen. Desöfteren sinniert der Frontmann darüber, dass es nahezu beängstigend sei, dass viele der Sachen, über die er in der Vergangenheit Texte verfasste, mittlerweile bittere Realität geworden bzw. nach wie vor aktuell sind. So stellt Al zum Beispiel ernüchtert fest, dass auch in Deutschland mittlerweile die „Flüchtlingsdebatte“ angekommen ist, obwohl er zu dem Thema schon vor zwölf Jahren einen Song geschrieben hatte ('Señor Peligro'). Natürlich war und ist Politik eng mit der Person Al Jourgensen verknüpft, aber auch wer einfach nur die kalt-aggressive Musik genießen will kommt an diesem Abend voll auf seine Kosten. Insbesondere Fans älteren Semesters feiern dann die Hits 'Just One Fix', 'N.W.O.', 'Thieves' und 'So What', welche zum Standard-Repertoire MINISTRYs zählen und das reguläre Set beschließen, kollektiv ab. Beim erst- und letztgenannten Stück ist die Stimmung jeweils am absoluten Siedepunkt angelangt: Zahlreiche Arme strecken sich in Richtung Bühne, Menschen singen, springen, tanzen, bangen begeistert mit. Bei der Zugabe in Form von 'Psalm 69' sowie 'Bad Blood' wirkt das Publikum dann irgendwie platt, aber trotzdem vollauf zufrieden und glückselig. Was für ein Abend, man kann es nicht oft genug wiederholen: Al For President!!!