Zum Hauptinhalt springen

Die US-Hobby-Ägyptologen und Technical-Death-Metal-Veteranen von NILE rufen zum nunmehr dritten Male auf, dem aktuellen Album „What Should Not Be Unearthed“ zu frönen. Da dieses Album bald sein dreijähriges Jubiläum feiert, darf man jedoch keine spezielle Album-Tour erwarten. Doch dass das sehr erfrischend sein kann, zeigen NILE eindrucksvoll im Berliner Columbia Theater – dem großen Abschluss ihrer Europa-Tour. Das aufgebotene Line-Up der Tour hingegen hinterlässt einige Fragezeichen: Mit den Youngstern von VEINS und EXARSIS sind Thrasher vom Allerfeinsten an Bord, und TERRORIZER, die Grindcore-Urgesteine aus den Staaten, sind erstmalig in Europa unterwegs. Stilistisch passt das nicht ganz zusammen – und das spürt man auch während der Show.

Es schlägt Punkt 19 Uhr, und VEINS betreten die Bühne. Optisch wenig beeindruckend beginnen die Italiener ihr Set zu spielen – und wie. Es hagelt Uptempo-Nummern und flottes Gitarrenriffing. Sofort wird man daran erinnert, dass man sich im richtigen Club befindet, auch wenn kurz zuvor eine Kinder-Veranstaltung in der direkt nebenan liegenden Columbiahalle stattgefunden hat. Völlig erwachsen versucht Sänger und Gitarrist Francesco die nicht mehr als 50 Anwesenden anzuheizen – leider vergeblich. Das Berliner Publikum ist ein schwer zu knackendes Schloss und VEINS haben leider nicht den passenden Schlüssel im Gepäck. Selbst treibende Parts verursachen nicht mehr als zögerliches Kopfnicken einzelner weniger.

Nach einer kurzen Umbaupause ist das mittlerweile um weitere ca. 50 Menschen gewachsene Publikum etwas irritiert, als die griechischen Thrasher EXARSIS etwas zu früh, eigentlich noch während des Linechecks ihr Set beginnen. Selbst Ton- und Lichttechniker gucken etwas verdutzt, während sie zu ihren Pulten eilen, um die Show auf technischer Seite zu beginnen. So flott, wie das geschieht, ist auch das Spieltempo von EXARSIS. Hautenge Jeans? Haare bis zum Boden? Synchrones Propeller-Headbanging? Wer darauf steht, hat seine Freude! Optisch machen die Griechen einiges her und man merkt direkt, dass die Jungs einerseits ihre Musik feiern und sich andererseits sich wirklich ernst nehmen. Sänger Nick erinnert hier und da an King Diamonds Falsett-Gesang, der hervorragend zum Uptempo-Thrash der Griechen passt. Leider treten während des Sets vermehrt störende Rückkopplungen über Nicks Mikrofon auf – dessen Stimme reicht im Übrigen in puncto Tonhöhe fast an die der Rückkopplungen heran. Immerhin spielen EXARSIS ihr Set nicht so stumpf durch, wie es bei den Vorgängern noch der Fall war – und der Sound kann sich absolut hören lassen! Der Versuch eines Anfeuerns der Zuschauer in der Mitte des Sets bleibt leider ebenso erfolglos – ach Berlin, du kannst so verbissen sein. Mittlerweile befindet sich die komplette erste Reihe im Headbang-Modus und vereinzelt sieht man sogar ein paar Zuschauer moshen. Sympathiepunkte können die Jungs von EXARSIS sammeln, als sie sich ganz explizit bei NILE und TERRORIZER bedanken, ohne die sie momentan nie auf Europa-Tour hätten gehen können.

Merkwürdigerweise steht das gesamte Columbia Theater mehr oder weniger still, als die Grindcore-Ältesten von TERRORIZER beginnen. Man merkt, wie viel Energie in zwei Dritteln des Trios steckt. Sänger und Bassist Sam Molina wirkt auf der Bühne sehr starr und verkrampft – Emotionen kommen kaum rüber. Das versucht Gitarrist Lee Harrison mit üblen Grimassen und bösen Metal-Fratzen wettzumachen. Er bringt immerhin etwas Bewegung auf die Bühne – soundtechnisch können TERRORIZER auf ganzer Linie überzeugen. Leider kann der gute Sound für keine gute Stimmung sorgen, denn bereits nach dem ersten Song des Sets muss ein Techniker das Schlagzeug neu verkabeln, was etwa 5 Minuten Stille bedeutet. Als Molina ‚Sharp Knives‘ ankündigt, wird das erste Mal richtig gejubelt, denn dieser Song ist brandneu und damit einher geht die Ankündigung eines bald erscheinenden neuen Albums – das freut die Fans! Nach 16 Songs ist das Set beendet und man hat nicht den Anschein, dass die Zuschauer müde sind. TERRORIZER haben an diesem Abend bestenfalls Vorband-Charakter, was einerseits schade ist, denn eine für die Szene derart wichtige und bekannte Band hat definitiv mehr Zustimmung verdient – andererseits ist dies auch selbst verschuldet. Wo wenig Emotionen sind, können auch dementsprechend wenig Emotionen übertragen werden. So ist es nicht verwunderlich, dass die erste Reihe des Columbia Theaters an diesem Abend regelmäßig die Langhaar-Windmühle auspackt, der Rest des Clubs aber etwas unbeeindruckt und wie angewurzelt der Musik lauscht.

Pünktlich betreten NILE die Bühne, während Drummer George Kollias bereits das Intro des Openers ‚Ramses Bringer Of War‘ einleitet – diese Auswahl kommt offensichtlich gut an beim Publikum. Die Stimmung schlägt sofort um in Euphorie, die ihren Höhepunkt in der Mitte des Sets während des Songs ‚Kafir!‘ erreicht. NILE beweisen abermals, dass sie auch auf der Bühne absolut sympathische Jungs sind: Gitarrist, Sänger und kreativer Kopf der Band Karl Sanders ist sichtlich begeistert über die Reaktionen der Fans und spielt Part für Part mit einem breiten Grinsen. Schön und herzlich erfrischend ist es auch, dass sich die Musiker nicht immer ernst nehmen und einfach Spaß haben. Karl beispielsweise streckt in ausklingenden Akkorden gerne stolz die Pommesgabel in die Luft oder gibt sich während der Songs Faustchecks mit seinen Kollegen. Der Sound lässt sich nicht anders als spitzenmäßig beschreiben. Jedes Instrument ist klar hörbar, Karls Soli durchsetzungsstark und der Gesang auf gleicher Höhe mit dem Rest der Band. Als NILE eine ihrer Hymnen ‚Unas Slayer of the Gods’ mit hervorragend klingenden Samples einstimmen, dürfen auch ganz klassische Hard-Rock-Choreographien à la „Wir stellen uns in einer Reihe auf und heben im Takt synchron die Instrumente in die Luft“ nicht fehlen. Kurz darauf heizt Brad Parris während ‚Sarcophagus‘ mit anheizenden Hey-Hey-Heys ordentlich ein – das Columbia Theater springt sofort an und erwidert lautstark seine Forderung. Das ordentlich durchgemischte Set findet mit dem Klassiker ‚Black Seeds of Vengeance‘ sein Ende – zugegeben, mit nur einem Song des aktuellen Albums liefern die Jungs ein so stark durchmischtes Set ab, das man ohne Weiteres als Best-Of-Playlist verwenden kann. Breites Grinsen sorgt der Platzsturm der Musiker aller Bands gegen Ende von ‚Black Seeds of Vengeance‘. Mit ausgestreckten Armen und rückblickend die Erlebnisse der Tour feiernd, haben VEINS, EXARSIS, TERRORIZER und NILE gemeinsam Spaß auf der Bühne, der mit einem riesengroßen Danke Berlin sein Ende findet.

NILE zeigen, wie sympathisch derart extremer Metal sein kann. Vor allem Karl Sanders sieht man die Freude während der gesamten Show an, die sich als Funke auf das Publikum überträgt. Sobald die Show vorbei ist, kümmert sich Sanders schon fast liebevoll um die Fans der ersten Reihe, schüttelt Hände, steht bereit für kurze Fotos und ist sichtlich froh, Fan-Kontakt zu haben. Mit einem Set aus Songs vieler alter Alben wie „Legacy Of The Catacombs“ oder „Black Seeds Of Vengeance“, aber auch der neueren Platten ist jeder Fan beim Gang auf die eisigen Straßen Berlins glücklich.