Ultima Ratio Fest 2025 - DARK TRANQUILLITY & SOEN @ Z7, Pratteln (Schweiz) - 25.09.2025
Basel ist eine einzige Baustelle und der Stau zieht sich bis zur Ausfahrt 7, hinter der das Z7 im Industriegebiet liegt. Eine eher unscheinbare, sichtlich in die Jahre gekommene alte Werkhalle, ist einer der besten Clubs in Europa.
Die Halle ist dann auch gut gefüllt, als die dänisch-faröische Formation IOTUNN auf die Bühne klettert und mit 'Mistland' in einen Set einsteigt der am Ende nur aus drei Songs bestehen soll, weil alle Songs Überlänge haben. Die Combo um den in ein Kapuzencape gehüllten Schreihals Jón Aldará präsentiert sich eher minimalistisch ausgeleuchtet aus einem Zwielicht heraus, was dem künstlerisch gestalteten, an ein Zepter erinnernden Mikroständer von Aldará, in dem eine Leuchte eingearbeitet ist, noch mehr Wirkung verleiht. Musikalisch agiert der Fünfer zwischen klassischem Melodic Death Metal, zelebriert dabei emotionale Momente und erinnert dabei ab und zu an ältere Tiamat und streut zudem noch verträumt-progressive Augenblicke ein. Auch bei knapp fünfzehnminütigen Nummern wie 'Kinship Elegaic' sorgt das für Abwechslung. Alles in allem ein Auftritt, der gerne zehn Minuten, also einen Song, länger hätte dauern können.

Als nächstes stehen EQUILIBRIUM auf dem Programm. Darüber mag man verwundert sein, weil der Sound der Bayern auf den ersten Blick so gar nicht zu den anderen Bands passen mag. Die Schweiz sieht das jedoch anders und hopst, klatscht und feiert Nummern wie 'Born To Be Epic' oder 'Renegades – A Lost Generation' begeistert mit. Sichtlich erstaunt von so viel Wohlwollen seitens des Publikums legt sich die Band ins Zeug und schüttelt bei Nummern wie 'Bloodwood' kräftig das Haupthaar. Sänger Fabi, der zu den inzwischen teils sehr modernen Klängen gerne wie ein Flummi über die Bühne hüpft, nimmt diese Reaktionen zum Anlass, die feiernde Meute mit 'Cerulean Skies' und 'Blut Im Auge' zu weiteren Interaktionen anzustacheln und schafft es sogar, so einen kleinen Moshpit loszutreten. Zum Ende kommt 'Nexus'. Applaus. Ein Selfie mit der Meute und dann ist Umbaupause.

Diese nutzt man im Pratteln traditionell, sich vor dem Z7 an der Pommesbude anzustellen, um eine Portion der als legendär betitelten Fritten abzugreifen. Derart gestärkt, drängelt das Volk kurz darauf wieder in die Halle, als dort das Intro erklingt. SOEN starten mit 'Sincere' und von der ersten Minute an wird klar, das hier Musiker zu Werke gehen, die parallel zu den teils sehr melancholischen und in sich selbst höchst wandlungsfähigen Stücken eine Bühnenpräsenz an den Tag legen, die alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Sänger Joel Ekelöf mit Sonnenbrille und Frack ist der Blickfang, im Verlauf von Songs wie 'Martyrs' und 'Unbreakable' wird sichtbar, der teils Keyboard spielende Gitarrist Lars Åhlund ist bei SOEN der Musiker, bei dem die kreativen Fäden zusammenlaufen. Viele der kontrastreichen ruhigen Parts der Band, die allein von Joels Stimme zu leben scheinen, werden von Lars und dem zweiten Gitarristen Cody erst eingeleitet oder entwickeln sich aus ihrem Zusammenspiel. Aber die Band kann auch Krach: Kriegsgetöse kündigt 'Memorial' an, das in einer kantigen Version gespielt wird. Nach 'Lotus' und 'Violence' ist Ende. Ein Auftritt, der das Publikum vollkommen in seinen Bann gezogen hat. Die Musiker ernten lang anhaltenden Applaus und sind sichtlich dankbar.

Das „The Gallery“-Album feiert seinen 30. Geburtstag, die „Character“-Scheibe wird Zwanzig... Das ist für DARK TRANQUILLITY Grund genug, eine dementsprechende Setliste zum Besten zu geben. Die Bühne ist mit einem enormen Backdrop mit dem Sleeve-Design der „The Gallery“-Platte dekoriert und die Band startet gleich mit 'Punish My Heaven' und 'Edenspring' und reisst die Zuschauer mit sich. Zurück in die Anfangstage der Göteborger Metal-Szene, die dann den Begriff Melodic Death Metal definieren sollte. Wie viel Spaß es der Band macht, die alten Songs zu spielen, lässt sich an den Grimassen ablesen, die die Gitarristen Johan und Peter schneiden wenn sie nicht headbangen, als gäbe es kein Morgen. Die Lässigkeit mit der sie bei Songs wie dem vorher noch nie live gespielten 'The Emptiness From Which I Fed' oder 'The Dividing Line' die Melodien aus ihren Handgelenken schütteln und mit dem heiseren, kehligen Death Metal-Gekeife von Sänger Mikael Stanne verschmelzen lassen ist auch nach dreißig Jahren noch sehr erstaunlich. Eine halbe Stunde ist im Flug vergangen, da wird das Backdrop abgerupft und das Design von „Character“ erscheint - weiter geht die Abfahrt mit 'The New Build', 'One Thought' und 'Through Smudged Lenses'. Zu merken, wie viele alte Fans im Publikum sind, die die Old-School-Songs glückselig abfeiern, lässt Sänger Mikael nicht nur einmal sichtlich gerührt in die inzwischen gutgefüllte Halle blicken. Die Mischung aus Metalheads und vielen Goth-Leuten in der Halle führt dazu, das neben intensivem Headbangen auch getanzt wird und statt nur den üblichen Pommesgabeln auch andere. kunstvolle Figuren mit den Händen in der Luft vollführt werden... Das für ihn charakteristische Honigkuchenpferd-Grinsen bekommt Stanne seit dem Anfang des Auftritts nicht mehr aus seinem Gesicht. 'My Negation' und 'Lost To Apathy' noch, dann war auch die zweite halbe Stunde im Handumdrehen verflogen. Den letzten Teil widmen DARK TRANQUILLITY dann einigen aktuelleren Songs wie etwa das „Endtime Signals“-Doppel 'Not Nothing' und 'Unforgivable' oder 'Atoma' und 'Terminus (Where Death Is Most Alive)' und dem finalen 'Misery's Crown'. Licht an. Die vollkommen begeisterte Band lässt sich von einem nicht minder zufriedenen Publikum beklatschen, verteilt Plektern und Drumsticks und Bassist Christian rupft noch alle Setlist-Zettel vom Boden um sie ebenso an die Fans zu verschenken. A night to remember, wie man so schön sagt. Wer die Chance hat, für sich diese Tour in den kommenden Wochen noch mitzunehmen, ist gut beraten, das zu tun.

Ein Haar in der ganzen Suppe des Abends in der Schweiz lässt sich dann jedoch in der Unsitte des Z7 finden, den Besuchern Halbliter-Getränkedosen zu verkaufen. Am Schluß ist der Boden mit dutzenden zusammengetrampelter Alu-Kannen übersät. Muss ja eigentlich nicht sein, da gäbe es bestimmt nachhaltigere Lösungen...
Text: Wedekind Gisbertson
Fotos: Andrea Kisslinger